Elektronische Orgel

Elektronische Orgel

Inhaltsverzeichnis

Der Begriff „elektronische Orgel“ ist im Allgemeinen die Bezeichnung für ein Tasteninstrument mit elektronischer Klangerzeugung. Eine konkrete analoge oder digitale Klangerzeugungstechnologie, Konstruktionsausführung oder Baugröße kann mit dem Begriff nicht verbunden werden und ist immer vom jeweiligen Stand der Technik abhängig und stark anwenderbezogen. Die elektromechanische Orgel ist beispielsweise eine elektronische Orgel. Da der Musiker eher an der Klangqualität und dem Verwendungszweck des Musikinstrumentes interessiert ist, tritt die verwendete Technik in den Hintergrund. In der Umgangssprache wird sie auch als E-Orgel oder elektrische Orgel (früher auch als Elektronenorgel, elektronische Orgel) bezeichnet.

Die Tastaturabmessungen entsprechen denen des Klaviers, jedoch mit geringerer Trägheit (ungewichtete Tastatur). Die Anzahl der Tasten beträgt in der Regel 61 (5 Oktaven), es kommen aber auch andere Werte zwischen 31 und 88 Tasten vor. Durch den geringen Spielwiderstand werden Spieltechniken ermöglicht, die auf einer gewichteten Tastatur nicht oder nur schwer möglich sind.

Geschichte

Sie wurde ab den 1930er Jahren aus ihren Vorläufern entwickelt. Bis zum Aufkommen der polyphonen Synthesizer Mitte der 1970er Jahre war sie eines der wenigen elektrophonen Tasteninstrumente mit polyphoner Klangerzeugung. Die Pfeifenorgel diente zunächst als Vorbild für die Entwicklung der elektronischen Orgel: Klaviatur (auch mehrmanualig), Bezeichnung der Registerpositionen nach Fußtönen oder teilweise nach Registernamen wurden übernommen. Durch ständige Weiterentwicklung und inzwischen auch durch den Einsatz der Computertechnik wurde die Klangerzeugung so verbessert, dass sie auch als elektronische Konzert- und Sakralorgel mit hoher Klangqualität eingesetzt werden kann.

Ton bzw. Klangerzeugung

Die ersten „elektronischen“ Orgeln waren, abgesehen von der Lichttonorgel, hauptsächlich elektromechanische Instrumente wie die berühmte Hammond-Orgel, die von Laurens Hammond erfunden wurde. Bei diesem System erzeugte eine Mechanik einen definierten elektrischen Wechselstrom in den Tonabnehmern. Die Tonerzeugung erfolgte zunächst durch Zahnräder, die in Spulen elektrische Sinusspannungen induzierten.

Im Gegensatz zu den Pfeifenorgeln konnte bei diesen frühen Instrumenten die Lautstärke jedes Manuals mit Hilfe von Zugriegeln in neun Stufen individuell eingestellt werden. Pro Manual standen in der Regel neun Zugriegel zur Verfügung, die verschiedene Tonhöhen repräsentierten. Durch Herausziehen und Hineinschieben der Zugriegel konnte die Lautstärke der Sinustöne beeinflusst werden, was eine Vielzahl von Klangfarben ermöglichte. Diese Klangerzeugung folgte dem Prinzip der einfachen additiven Synthese.

Ein wesentlicher Bestandteil der Hammond-Orgel war das Leslie-Lautsprecherkabinett, das den Klang über rotierende Lautsprecher wiedergab und dadurch zusätzliche Schwebe- und Tremoloeffekte erzeugte. Die Rotationsgeschwindigkeit konnte in zwei Stufen (slow/fast) eingestellt werden. Später wurde aus Platz- und Gewichtsgründen die elektronische Simulation dieses Effekts mit Eimerkettenschaltungen eingeführt. Beispiele hierfür sind das Wersivoice von Wersi und der Phasingrotor von Dr. Böhm. Dynacord entwickelte in den 80er und 90er Jahren Rack-Effektgeräte, die die Simulation eines Leslie Cabinets ermöglichten und weit verbreitet waren (CLS-22, CLS-222, DLS-223, DLS-300).

Entwicklung der vollelektronischen (analogen) Klangerzeugung

Die Anfänge der vollelektronischen Orgel reichen bis in die 1960er Jahre zurück. Die bahnbrechende Böhm-Orgel von Rainer Böhm war die erste Transistororgel der Welt. Sie ermöglichte auch Laien den Bau eigener Orgeln durch Bausätze, die später technisch erweitert werden konnten. Parallel dazu brachte Philips die Phililicorda AG 7500 auf den Markt, eine frühe vollelektronische Orgel mit größerer Verbreitung. Elektromechanische Modelle von Jörgensen-Electronic waren bereits in den 1950er Jahren bekannt.

Heimorgeln: Musik für das Wohnzimmer

Die Heimorgel wurde speziell für das Wohnzimmer entwickelt und erlebte ihre Blütezeit in den 1970er und 1980er Jahren. Mit zwei Manualen, Stummelpedal, eingebautem Verstärker und Lautsprechern war sie ideal für den Hausgebrauch. Die Registrierung erfolgte über Tasten und Schalter, die verschiedene Klangfarben auslösten. Hersteller wie Farfisa, Yamaha und Wersi boten Modelle für unterschiedliche Ansprüche von der Unter- bis zur Oberklasse an. Heimorgeln integrierten Rhythmusinstrumente, ermöglichten Soloauftritte und wurden als „Ein-Mann-Orchester“ eingesetzt.

Konzertorgeln: Virtuosität auf der Bühne

Die Konzertorgel, eine aufwendigere Version der Heimorgel, diente herausragenden Organisten für Solokonzerte, vor allem im Bereich der Popmusik. Mit bis zu drei Manualen und Vollpedal erfüllte sie die hohen Ansprüche der Spitzenorganisten. Konzertorgeln waren selten mit internen Lautsprechern ausgestattet und benötigten für Auftritte in großen Sälen oder Open-Air-Veranstaltungen externe Verstärker. Hersteller wie Böhm, Roland, Yamaha und Wersi waren in diesem Bereich prominent vertreten. Der Jazzorganist Jimmy Smith und zeitgenössische Künstler wie Mambo Kurt trugen zur Vielseitigkeit und Popularität der Orgel bei.

Analoge Sakralorgeln: Harmonischer Klang in der Kirche

Elektronische Orgeln hielten schon früh Einzug in die Kirchen, um die aufwendigen Pfeifenorgeln zu ersetzen. Diese Orgeln waren speziell auf die Anforderungen der Kirchenmusik zugeschnitten und zeichneten sich durch den Einsatz analoger Filter zur Klangformung aus. Im Gegensatz zu Hausorgeln verfügten Sakralorgeln häufig über mehrere Kanäle und Lautsprecher, um einen mehrdimensionalen Klang im sakralen Raum zu erzeugen. Ihre harmonischen Klänge trugen dazu bei, die musikalische Atmosphäre in den Kirchen zu bereichern und die spirituelle Erfahrung der Gläubigen zu vertiefen.

Entwicklung der vollelektronischen (digitalen) Klangerzeugung in verschiedenen Orgeltypen

Orgeln für U-Musik: Vielfältige Klänge für unterschiedliche Stilrichtungen

Die Hammond-Orgel steht für den klassischen „Sinus-Orgelklang“, während moderne Orgeln von Yamaha, Wersi, Böhm, Lowrey oder Roland als Synonyme für Orchesterorgeln gelten. Diese Instrumente bieten eine breite Palette traditioneller Orgelklänge verschiedener Stile sowie orchestrale Klangfarben. Sie werden im Hausgebrauch und als Solo-Orgeln eingesetzt und bestehen aus großen Serieninstrumenten mit zwei Manualen à 61 Tasten, einem Manual mit 76 Tasten und Hammermechanik oder einem polyphonen Pedal mit 30 Tasten.

Digitale Sakralorgel: Moderne Klangqualität in sakralen Räumen

Die digitale Sakralorgel hat sich als Weiterentwicklung ihrer analogen Vorgänger im Laufe der Zeit einen festen Platz erobert. Früher als Übungsinstrument in Privathäusern und kleineren Kirchen eingesetzt, bieten moderne digitale Sakralorgeln heute eine überzeugende Klang- und Wiedergabequalität. Sie simulieren nicht nur die Disposition von Pfeifenorgeln, sondern auch die Druckfestigkeit mechanischer Kirchenorgeln. Ihr niedriger Anschaffungspreis, ihre Unempfindlichkeit gegenüber Umwelteinflüssen und ihre vielfältigen klanglichen Möglichkeiten machen sie zu einer ernsthaften Alternative für größere Kirchen und Konzertsäle.

Hybrid-Orgeln: Tradition und Innovation vereint

Hybrid-Orgeln verbinden die Vorteile digitaler und klassischer Klangerzeugung. Sie überlagern akustisch zwei Orgeln, bringen aber auch Herausforderungen wie Stimmung und Mixtur mit sich. In den USA sind Bass- und Zungenregister häufig digital ausgeführt, Effektregister lassen sich leicht elektronisch realisieren. Eine innovative Sonderform sind Pfeifenorgeln, bei denen einzelne Kanäle elektronisch erzeugt und auf Resonatoren geleitet werden, die mehrere Pfeifen repräsentieren. Dadurch entsteht eine einzigartige Kombination von elektronischer Klangerzeugung und mechanischer Klangverstärkung.