Musikgeschichte:1930-1939

Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts - 1930-1939

Inhaltsverzeichnis

Von Big Bands bis Boogie-Woogie: Die prägenden Sounds der Jahre 1930–1939

Die Jahre 1930-1939 waren geprägt von wirtschaftlicher Unsicherheit, politischen Extremen und tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen. Sie fielen in das 20. Jahrhundert des Umbruchs. Diese Entwicklungen spiegelten sich auch in der Musik wider – mal als Flucht aus der Realität, mal als Ausdruck kollektiver Sehnsüchte oder sogar als Instrument politischer Einflussnahme. Von den mitreißenden Big Bands bis hin zu neuen musikalischen Experimenten reichten die Strömungen, die das Jahrzehnt prägten. Was damals entstand, legte nicht nur den Grundstein für spätere Entwicklungen wie Rock ’n’ Roll und Pop, sondern beeinflusst die Musikwelt bis heute.

Jazz und Swing: Der Sound der Großstadt

Kaum ein Genre prägte die 1930er Jahre so stark wie Jazz und Swing. Der Jazz hatte sich seit den 1920er Jahren stetig weiterentwickelt und erreichte mit der Big-Band-Ära seinen Höhepunkt. Große Orchester mit Dutzenden Musikern sorgten mit ihren swingenden Rhythmen, kraftvollen Bläsersätzen und raffinierten Arrangements für Begeisterung in Clubs, Ballsälen und bei Radiosendungen.

In den USA erlebte der Swing durch Künstler wie Benny Goodman, Duke Ellington und Count Basie seinen kommerziellen Durchbruch. Ihre Musik stand für Lebensfreude, Modernität und eine gewisse Leichtigkeit – trotz oder gerade wegen der Großen Depression. Auch in Europa, besonders in Frankreich und Deutschland, fand der Swing zahlreiche Anhänger.

Doch im nationalsozialistischen Deutschland wurde Jazz zunehmend als „entartet“ diffamiert, da er als „undeutsch“ und von afroamerikanischen sowie jüdischen Einflüssen geprägt galt. Viele Jazzmusiker emigrierten, und Swing wurde entweder verboten oder nur in abgemilderter, „deutscher“ Form weitergeführt. Dennoch blieb die Szene aktiv – teilweise im Verborgenen oder im Ausland.

Blues: Die Seele des einfachen Lebens

Während der Swing für Energie und Tanzbarkeit stand, blieb der Blues das Ausdrucksmittel des Alltags, des Schmerzes und der Hoffnung – insbesondere in afroamerikanischen Gemeinschaften. In den 1930ern kam es zur stilistischen Ausdifferenzierung: Der Chicago Blues begann, sich zu elektrifizieren, während an der Westküste mit dem West Coast Blues ein jazzigerer, eleganterer Stil entstand.

Künstler wie Robert Johnson wurden zur Legende – nicht nur wegen ihrer Musik, sondern auch wegen der Mythen, die sich um sie ranken. Seine Songs wie Cross Road Blues oder Love in Vain sind Meisterwerke der Erzählkunst und beeinflussten später unzählige Musiker weltweit.

Crooner, Country & der Klang des Radios

Ein entscheidender technischer Fortschritt in den 1930er Jahren war die Verbreitung des Mikrofons und des Radios. Beides veränderte die Art, wie Musik aufgenommen, übertragen und konsumiert wurde – und ebnete den Weg für den Erfolg der sogenannten Crooner. Sänger wie Bing Crosby und der junge Frank Sinatra nutzten die neue Technik für einen intimen, gefühlvollen Gesangsstil, der besonders bei romantischen Balladen zur Geltung kam.

Zeitgleich entwickelte sich die Country-Musik weiter – besonders durch das Radio. Sender wie die Grand Ole Opry machten Künstler wie The Carter Family oder Jimmie Rodgers landesweit bekannt. Themen wie Heimat, Verlust und das einfache Leben trafen den Nerv der Bevölkerung – auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten.

Neue Impulse: Gospel, Boogie-Woogie und Western Swing

Die 1930er waren nicht nur eine Zeit der Krisen, sondern auch der musikalischen Innovation. Der Gospel entwickelte sich aus afroamerikanischen Kirchenliedern und Blues-Elementen – besonders in Chicago, wo sich die Szene rund um Thomas A. Dorsey formierte. Diese Musik war emotional aufgeladen, spirituell und gleichzeitig extrem kraftvoll.

Mit dem Western Swing entstand ein Genre, das Country, Jazz und Blues verband – tanzbar, lebendig und regional stark in Texas und Oklahoma verwurzelt. Gegen Ende des Jahrzehnts feierte der Boogie-Woogie seinen Durchbruch: ein Klavierstil mit rollenden Bassläufen und virtuosen Melodien, der später maßgeblich den Rock ’n’ Roll beeinflusste.

Klassische Musik im Schatten der Diktatur

Auch die klassische Musik wurde in den 1930ern stark von politischen Entwicklungen beeinflusst. In Deutschland nutzte das NS-Regime klassische Musik zur Propaganda, förderte „arische“ Komponisten und verbot Werke jüdischer Künstler oder experimenteller Strömungen wie die der Zweiten Wiener Schule. Komponisten wie Paul Hindemith oder Kurt Weill wurden ins Exil gedrängt.

Trotzdem entstanden auch wichtige neue Werke: Der Modernismus mit seinen atonalen und strukturellen Experimenten wurde vielerorts weiterentwickelt – parallel dazu begannen erste postmoderne Tendenzen, bei denen sich klassische Komposition mit Elementen der Volksmusik oder populärer Stile verband.

Musik als Machtinstrument: Das Dritte Reich

In Deutschland wurde Musik gezielt für ideologische Zwecke instrumentalisiert. Marschmusik, volkstümliche Lieder und heroische Opern wurden bevorzugt, während Jazz, Swing, jüdische Musik und alles „Moderne“ unterdrückt oder verboten wurden. Die Comedian Harmonists, eines der erfolgreichsten Vokalensembles der Zeit, wurden wegen ihrer jüdischen Mitglieder 1935 zur Auflösung gezwungen – ein tragisches Beispiel für die Repression jener Zeit.

Weltmusik der 1930er: Über den Tellerrand hinaus

Neben den USA und Deutschland entwickelten sich auch in anderen Ländern starke musikalische Szenen. In Frankreich eroberte der Chanson die Herzen – mit Künstler wie Édith Piaf, die gegen Ende der 1930er erste Erfolge feierte. In Argentinien etablierte sich der Tango als international beliebtes Genre, während in Brasilien die Wurzeln der Samba und Bossa Nova gelegt wurden. Auch in Japan oder Indien begann sich moderne populäre Musik zu formieren.

Künstler von 1930 bis 1939

  • Benny Goodman
  • Billie Holiday
  • Bing Crosby
  • Comedian Harmonists
  • Count Basie
  • Duke Ellington
  • Édith Piaf
  • Fats Waller
  • Frank Sinatra
  • Gene Autry
  • Heinz Rühmann
  • Jimmie Rodgers
  • Kurt Weill
  • Lale Andersen
  • Louis Armstrong
  • Marlene Dietrich
  • Robert Johnson
  • The Carter Family
  • Zarah Leander