Marlene Dietrich

Marlene Dietrich, Schlagersängerin
© Don English

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Marlene Dietrich – Die Biografie einer Hollywood-Diva

Marlene Dietrich verkörpert eine der ungewöhnlichsten künstlerischen Biografien des 20. Jahrhunderts: Aufgewachsen mit klassischer Musikausbildung in Berlin, wurde sie zunächst als Schauspielerin international bekannt, bevor sie sich als Sängerin im Cabaret und im traditionellen Pop etablierte. Zwischen Kino-Ikone, Chanson-Interpretin und Live-Performerin spannt sich ihr Werk, das Genregrenzen bewusst durchmischt. Die singende Dietrich, deren Interpretationen von „Falling in Love Again” bis „Lili Marleen” unvergessen blieben, zeigte, wie visuelle Performance und vokale Präsenz zusammenwirken. Ihr Schaffen ist somit nicht nur Film-, sondern auch Musikgeschichte. 

Musikalische Herkunft und prägende Einflüsse

Geboren 1901 in Berlin-Schöneberg, begann Dietrich ihre künstlerische Ausbildung im Kontext der klassischen Musik: Violine, Klavier und Sprache gehörten zu ihren frühen Interessen. Diese frühe musikalische Prägung hinterließ Spuren in ihrer Phrasierung und ihrem intuitiven Zugang zur Liedinterpretation und zum Rhythmus, auch wenn sie später zugunsten der Schauspielerei reduziert wurde. 

Die Atmosphäre des Berliner Kabaretts der 1920er Jahre – ein Schmelztiegel aus Chanson, politischem Satiregesang und experimenteller Bühnenperformance – stellte für Dietrich ein erstes musikalisches Labor dar. Hier lernte sie, ihre Stimme nicht nur als melodisches, sondern auch als atmosphärisches und dramatisches Werkzeug zu nutzen – ein Instrument, das Geschichten erzählt und nicht nur Melodien.

Künstlerische Entwicklung und zentrale Meilensteine

Der entscheidende Wendepunkt kam mit der Verfilmung von „Der blaue Engel” (1930), in dem Dietrich an der Seite von Hans Albers als Cabaret-Sängerin Lola Lola nicht nur eine filmische, sondern auch eine musikalische Identität fand. Hier etablierte sich ihr rauchig-sinnlicher, tief gefärbter Gesang, der von Berliner Unterweltsound und europäischer Chanson-Tradition geprägt war. Der Song „Falling in Love Again” wurde dabei zu einem Schlüsselmoment ihres künstlerischen Profils. 

Als Hollywood sie unter Vertrag nahm, blieb das Singen zunächst ein Nebenprodukt ihrer Filmrollen. Doch in den 1940er und 1950er Jahren entwickelte Dietrich jenseits der Leinwand ein eigenes musikalisches Leben. Ihre Auftritte für alliierte Truppen während des Zweiten Weltkriegs zeugen von einer Sängerin, die Lieder wie „Lili Marleen” oder „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt” mit einer Intensität interpretierte, die nur wenige Filmstars erreichen. 

In den 1950er Jahren begann sie regelmäßig als Sängerin aufzutreten, etwa 1953 im Sahara Hotel in Las Vegas – ein Moment, in dem ihre Stimme jenseits filmischer Verkörperung als ernstzunehmende musikalische Ausdrucksform galt. Später veröffentlichte sie Studioalben wie „Decca Presents Marlene Dietrich” (1940), „Marlene Dietrich Sings” (1947) und Mitte der 1960er „Marlene singt Berlin, Berlin”, die sowohl klassische deutsch-französische Chansons als auch traditionelle Pop-Standards umfassen. 

Stilistische Ausrichtungen, Genregrenzen und Erweiterungen

Stilistisch lässt sich Dietrich kaum in ein enges Genre pressen. Ihre Musik bewegt sich zwischen klassischem Chanson, kabarettistischer Darbietung, traditionellem Pop und kabarettnaher Interpretation. Anders als bei reinen Schlagersängerinnen des 20. Jahrhunderts liegt Dietrichs Stärke weniger im Hit-Songwriting als vielmehr in der nuancierten Darbietung. Phrasierung, Timbre, Sprachrhythmus und artikulatorische Haltung waren ihre Markenzeichen. Ihre Repertoirewahl in deutscher, englischer und französischer Sprache zeigt, wie sie kulturelle Grenzen musikalisch übersetzte und transformierte. 

Auf der Bühne verband Dietrich Musik mit Schauspiel: Ihre Konzerte waren oft theatralisch inszeniert und stellten eine Verlängerung ihrer filmischen Persona dar, die zugleich glamourös und verletzlich wirkte. Dabei nutzte sie bewusst visuelle Elemente wie Kostüm, Gestik und Blickkontakt, um die emotionale Wirkung der Lieder zu verstärken. Damit setzte sie Standards für spätere Chanson- und Cabaret-Interpretinnen.

Zusammenarbeit mit anderen Künstlern

Dietrichs musikalisches und ästhetisches Selbstverständnis war auch durch Kollaborationen geprägt. In Paris arbeitete sie etwa mit dem Pianisten Peter Kreuder zusammen, dessen Arrangements ihre frühen Chanson-Aufnahmen prägten. Später entstanden Duette und gemeinsame Projekte, etwa das Rosie and Marlene-EP-Projekt mit Rosemary Clooney (1953), das traditionelle Pop-Elemente humorvoll aufgriff. 

Auch ihre filmischen Partnerschaften – etwa mit dem Regisseur Josef von Sternberg – waren musikalisch reflektiert. Bild und Ton, Gestus und Gesang wurden als ensemblehafte Ausdrucksmittel genutzt, die ihr Gesamtimage als Sängerin und Schauspielerin gleichermaßen formten. 

Im historischen Gedächtnis der Film- und Musikwelt ist Marlene Dietrich weit mehr als nur eine glamouröse Leinwandfigur: Die 1901 als Marie Magdalene Dietrich in Berlin-Schöneberg geborene Schauspielerin und Sängerin trug stets ihr „Berliner Erbe” in sich – ein Selbstverständnis, das bis in die Marlene Dietrich Collection Berlin der Deutschen Kinemathek nachwirkt. Diese weltweit bedeutende Sammlung dokumentiert mit über 300.000 Blättern Schriftgut, Tausenden Fotografien und Textilien das Leben einer Künstlerin, deren Karriere die Kinemathek als Film-, Musik- und Kulturgeschichte bewahrt. Im Personenarchiv finden sich unter anderem Korrespondenzen mit Intellektuellen und Künstlern wie Erich Maria Remarque, Karl Lagerfeld und David Bowie, die von Dietrichs vielschichtigen kulturellen Verbindungen zeugen. 

Dietrichs Weg führte sie – nach frühen Berliner Bühnen- und Stummfilmrollen – rasch in die internationale Filmszene Hollywoods, wo sie unter anderem bei Paramount Pictures unter Vertrag stand und mit Stars wie Gary Cooper, James Stewart und John Wayne agierte. Auch wenn über ihre persönlichen Beziehungen Legenden kursieren, bleibt ihr künstlerisches Werk greifbar: mit ikonischen Rollen, in denen sie als Figur zwischen klassischem Kino und moderner Pop-Ästhetik changierte, und mit einer Bühnenpräsenz, die sowohl filmisch als auch musikalisch wirkte.

Diese Verbindung von Schauspiel und Gesang, von visueller Präsenz und vokaler Ausdruckskraft wird in der Marlene Dietrich Collection nicht nur als biografisches Datenmaterial konserviert, sondern auch als ästhetische Spur einer Künstlerin, die sich selbst immer wieder neu erfand – ob im Berlin der 1920er Jahre, auf den Bühnen der USO-Shows im Zweiten Weltkrieg oder in internationalen Retrospektiven des American Film Institute.