Violine/Geige

Violine, Geige

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Die Violine ist ein Streichinstrument, das zu den Kastenhalslauten gehört. Die vier Saiten (g-d1-a1-e2) werden hauptsächlich mit dem Bogenhaar (ital. coll’arco), seltener mit dem Bogenstock (ital. col legno) oder den Bogenhaaren (ital. battuto) gestrichen oder mit den Fingern gezupft (ital. pizzicato). Das Instrument spielt eine herausragende Rolle in der Tradition der klassischen europäischen Musik. Bedeutende Werke wurden für die Violine in allen Epochen der Musikgeschichte seit ihrem Aufkommen geschrieben. Geigen werden von Geigenbauern hergestellt. Das Wort „Violine“ wurde im 17. Jahrhundert aus dem Italienischen ins Deutsche übernommen, bedeutet eigentlich „kleine Viola“. Ursprünglich gab es verschiedene Bezeichnungen wie „lira“, „violetta“ oder „viola“. Die Violine ist das Instrument des Jahres 2020.

Geschichte

Die Violine entstand zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Italien und scheint aus zwei mittelalterlichen Instrumenten hervorgegangen zu sein, die mit einem Bogen gespielt wurden: der Fiedel, auch Vielle oder Fidel genannt, und dem Rebec. Außerdem ist die Lira da braccio der Renaissance (ein geigenähnliches Instrument mit Bordunsaiten außerhalb des Griffbretts) ein direkter Vorläufer. Die Viole ist mit der Violine verwandt, aber keine direkte Vorläuferin. Bei der Viole handelt es sich um ein sechssaitiges Instrument mit Bünden. Welches in Europa noch vor der Violine aufkam und mehr als 200 Jahre lang neben der Violine existierte.

Zu den bedeutenden frühen Geigenbauern zählen die Norditaliener Gasparo da Salò (1540-1609) und Giovanni Maggini (1579 bis ca. 1630) aus Brescia sowie Andrea Amati aus Cremona. Im 17. und frühen 18. Jahrhundert erlebte der Geigenbau in den Werkstätten von Antonio Stradivari und Giuseppe Guarneri, beide aus Cremona, sowie von Jacob Stainer in Österreich seine Blütezeit.

Im Vergleich zu den heutigen Instrumenten hatten die frühen Geigen einen kürzeren und dickeren Hals, dessen Neigung zur Decke geringer war, ein kürzeres Griffbrett, einen flacheren Steg und ausschließlich Darmsaiten. Auch die frühen Bögen unterscheiden sich von den heutigen. Diese Veränderungen stammen alle aus dem 18. und 19. Jahrhundert und sind die Folge von Versuchen, die Geige noch schöner und kräftiger klingen zu lassen.

Trotz dieser Versuche hat sich die Grundkonstruktion der Geige seit dem 17. Jahrhundert kaum verändert. Einige Geiger des 20. Jahrhunderts haben ihre Instrumente aus dem 18. Jahrhundert nach den Originalplänen restaurieren lassen, weil sie der Meinung sind, dass sie so die frühe Musik zeitgemäßer spielen können.

Die Violine galt zunächst als ein Instrument von niedrigem gesellschaftlichen Rang. Jahrhunderts stieg ihr Ansehen durch die Verwendung in Opern wie Orfeo (1607) von Claudio Monteverdi und durch das 1626 gegründete Musikensemble des französischen Königs Ludwig XIII, die 24violins du roi (24 Violinen des Königs). Dieser Aufschwung setzte sich in der Barockzeit mit dem Schaffen vieler berühmter Komponisten fort, die auch Virtuosen auf diesem Instrument waren, wie Arcangelo Corelli, Antonio Vivaldi und Giuseppe Tartini in Italien und Heinrich Biber, Georg Philipp Telemann und Johann Sebastian Bach in Deutschland.

Die Violine wurde zur führenden Stimme in den Instrumentalformen der Zeit (Solokonzert, Concerto grosso, Sonate, Triosonate und Suite) und in der Oper. Bereits Mitte des 18. Jahrhunderts war die Violine das häufigste Soloinstrument in der europäischen Musik. Violinen bildeten auch die führenden Stimmen im Orchester, dem wichtigsten Instrumentalensemble des Barock und der Klassik. In modernen Orchestern spielen mehr als die Hälfte der Musiker Instrumente aus der Familie der Violinen. Das vorherrschende Kammermusikensemble, das Streichquartett, besteht aus zwei Violinen, einer Viola und einem Violoncello.

Jahrhundert unternahmen international bekannte Violinvirtuosen ausgedehnte Tourneen durch ganz Europa. Dazu gehörten die Italiener Giovanni Viotti und Nicolò Paganini, die Deutschen Louis Spohr und Joseph Joachim, der Spanier Pablo de Sarasate und die Belgier Henri Vieuxtemps und Eugène Ysaÿe.

Im 20. Jahrhundert wurde die Violinmusik von Meistern wie Isaac Stern, Yehudi Menuhin, George Enescu, Fritz Kreisler, Bronislaw Huberman, Jascha Heifetz, Mischa Elman, Nathan Milstein, Arthur Grumiaux, Henryk Szeryng, Joseph Szigeti, Dawid Oistrach und in den letzten Jahren von Dawid Oistrach geprägt, Dawid Oistrach und in der jüngeren Generation Dmitry Sitkovetsky, Gidon Kremer, Itzhak Perlman, Pinchas Zukerman, Viktoria Mullova, Anne-Sophie Mutter, Iona Brown, Simon Standage, Jaap Schröder und Midori zu neuen technischen und künstlerischen Höchstleistungen.

Aufbau

Korpus

Der Geigenkorpus, bestehend aus Decke, Boden und Zargenkranz, bildet zusammen einen etwa 35 bis 36 cm langen Resonanzkörper.

Decke

Die Decke aus feinjähriger Fichte bildet den oberen Teil mit F-Löchern. Das Holz wird sorgfältig ausgewählt, bevorzugt wird langsam gewachsenes Holz aus Hochgebirgsregionen, das im Winter geschlagen und über mehrere Jahre getrocknet wird. Die Stärke der Decke unter dem Steg beträgt idealerweise 2,4 bis 3,5 mm, wobei härtere Hölzer dünner verarbeitet werden als weichere, um die gewünschte Flexibilität zu erreichen.

Boden

Der Boden, meist aus Ahorn, ist gewölbt und kann einteilig oder zweiteilig sein. Die Maserung ist spiegelsymmetrisch, sehr selten werden auch Pappel oder Weide verwendet.

Zargen

Die Zargen sind die Seitenteile des Korpus und werden mit Boden und Decke verleimt. Ihr Material ist in der Regel das gleiche wie das des Bodens.

Randeinlagen oder Adern, drei schmale, oft schwarz gefärbte Holzstreifen, verzieren den Rand von Decke und Boden und stabilisieren die über den Zargenkranz hinausragenden Ränder.

Innenleben

Im Inneren des Korpus befinden sich wichtige Bauteile. Der Bassbalken aus Fichtenholz ist leicht schräg zur Faserrichtung unter die Innenseite der Decke geleimt, um die Anisotropie und die Steifigkeit zu erhöhen.

Der Stimmstock, ein zylindrischer Stab aus Fichtenholz mit einem Durchmesser von ca. 6 mm, wird zwischen Decke und Boden eingepasst, beeinflusst maßgeblich den Klang und wird nicht verleimt. Seine genaue Positionierung ist entscheidend.

Ober-, Unter- und Endklötze sowie innenliegende Reifchen stabilisieren die Zargen. Die Klötze sind aus Fichte, die Reifchen aus Fichte oder Weide.

Ton bzw. Klangerzeugung

Die Haftkraft des Bogenbezuges, bedingt durch die Oberflächenstruktur des Rosshaares und den Auftrag des Kolophoniums, hat einen entscheidenden Einfluss auf die Tonbildung. Beim Streichen der Saite durch den Bogen wird die Saite so lange ausgelenkt, bis die Rückstellkraft größer ist als die Haftreibung. In einem präzisen Zusammenspiel von Strichlage, Strichgeschwindigkeit und Bogendruck entsteht der Stick-Slip-Effekt, der die Saite in Schwingung versetzt.

Die Frequenz dieser Schwingungen bestimmt den gespielten Ton. Die Saite mit ihrer begrenzten Wirkfläche bewegt nur eine geringe Luftmenge, die für das menschliche Ohr nicht ausreicht. Hier kommt der Korpus als Impedanzwandler ins Spiel. Durch die Übertragung der Schwingungen von der Saite auf den Korpus wird die Abstrahlfläche vergrößert, was zu einem wahrnehmbaren Klang führt.

Der Steg, auf dem die Saite aufliegt, und die Decke der Geige spielen dabei eine entscheidende Rolle. Die Schwingbewegung des Stegs wird durch den Stimmstock beeinflusst. Dieser verschiebt die Drehachse der Bewegung so, dass bei tiefen Frequenzen der linke Stegfuß und bei hohen Frequenzen der rechte Stegfuß aktiver ist. Dadurch werden die Schwingungen entweder stärker von der Decke oder von Decke und Boden abgestrahlt. Durch dieses komplexe Zusammenspiel entsteht ein breitbandiger Hohlraumresonator, der den Schall durch die F-Löcher abstrahlt.

Spieltechnik

Die Geige liegt auf der linken Schulter und Brust des Geigers und wird von der linken Unterkieferkante oder gelegentlich vom Kinn gestützt, je nach Haltung oder Drehung des Kopfes. Zum Greifen des Halses oder zur Unterstützung bestimmter Grifftechniken übernimmt die linke Hand die Funktion des Daumens. Die übrigen Finger wirken ausschließlich auf die Saiten ein, um die gewünschten Töne zu erzeugen. Bei bestimmten Spieltechniken kann die linke Hand je nach Violinschule auch eine stützende oder haltende Funktion für das Instrument übernehmen.

Die rechte Hand führt den Bogen, der die Saiten normalerweise zwischen dem Ende des Griffbretts und dem Steg streicht, in modernen Kompositionen gelegentlich auch hinter dem Steg. Dieser Berührungspunkt wird als Kontaktpunkt bezeichnet. Die Kombination aus Gewicht, Geschwindigkeit, Berührungspunkt (nahe am Steg, nahe am Griffbrett oder dazwischen) und Winkel der Bogenhaare hat einen großen Einfluss auf die Veränderung der Lautstärke, die Klangfarbe, die Präzision der Artikulation, das Legatospiel und andere Nuancen beim Berühren der Saiten.

Instrument des Jahres 2020

Die Violine wurde von den Landesmusikräten zum Instrument des Jahres 2020 gewählt. Die Bedeutung und Vielseitigkeit der Violine sowie ihre herausragende Rolle in der Musik werden mit dieser besonderen Auszeichnung gewürdigt.