Paul Kuhn

Paul Kuhn, Schlagersänger

Inhaltsverzeichnis

Paul Kuhn: Swing, Schlager und der Status einer Legende

Paul Kuhn war ein vielseitiger Künstler: Er war Pianist, Sänger, Bandleader und Arrangeur und wirkte in den Bereichen Jazz und Unterhaltung. Er wuchs unter einfachen Verhältnissen auf, entdeckte schon als Kind seine musikalische Begabung und fand im Nachkriegsdeutschland durch Auftritte beim AFN sowie in Jazzclubs Zugang zu Swing und US-amerikanischen Einflüssen. Sein Motto war es, das Publikum zu unterhalten, ohne auf musikalische Tiefe zu verzichten. Hits wie „Der Mann am Klavier” und „Es gibt kein Bier auf Hawaii” machten ihn populär. Als Leiter der SFB-Bigband und mit dem Paul Kuhn Trio kehrte er immer wieder zum Jazz zurück, zuletzt mit der „L.A. Session”, die seine internationale Anerkennung als Musiker festigte.

Musikalische Herkunft und prägende Einflüsse von Paul Kuhn

Paul Kuhn wurde am 12. März 1928 in Wiesbaden als Sohn eines Croupiers geboren. In seiner Kindheit zeigte sich früh eine intensive musikalische Neigung: Schon mit acht Jahren trat er 1936 bei der Berliner Funkausstellung als Akkordeonspieler auf – ein Junge, der „hinter seinem Instrument fast verschwand“ (daher auch der Spitzname „Paulchen“). Parallel zu seiner formalen Ausbildung am Musischen Gymnasium in Frankfurt und später am Konservatorium in Wiesbaden experimentierte er mit Jazz, den er als Hitlerjunge für sich entdeckte – eine Musik, die damals verboten oder zumindest verpönt war, die ihn aber faszinierte. Der Kontakt zu Jazzklängen, wie denen von Glenn Miller, prägte sein Repertoire, sein Stilbewusstsein und sein Verständnis von Swing.

Während des Krieges wirkte Kuhn in Paris als Truppenbetreuer, unterhielt Wehrmachtssoldaten und sammelte zugleich Erfahrungen im Unterhaltungsbereich – ein Umfeld, das seine späteren musikalischen Wege vorbereitete. Nach Kriegsende etablierten sich seine Verbindungen zu amerikanischem Jazz und Swingmusik noch stärker, insbesondere durch seine regelmäßigen Sendungen beim American Forces Network (AFN) in der US-Besatzungszone.

Künstlerische Entwicklung mit zentralen Meilensteinen

Kuhns Entwicklung lässt sich in mehrere Etappen gliedern, in denen sich Stil, Publikum und musikalische Prioritäten verschoben, jedoch nicht grundlegend veränderten.

Kindheit und Jugend (1928–1945): Die frühen Jahre in Wiesbaden, erste Instrumente waren Akkordeon, später Klavier und Klarinette. – Auftritt bei der Funkausstellung, Spielen in Weinlokalen wie dem „Eimer“ in Wiesbaden, Entdecken des Jazz trotz politischer Widerstände, erste Pianistenauftritte in Jazzclubs.

Nachkriegs- und AFN-Jahre (1945–1950): Unmittelbar nach 1945 trat Kuhn vor amerikanischen Soldaten auf, wurde beim AFN angestellt und holte sich Stilvorbilder wie Glenn Miller. Er übernahm das Swing-Repertoire. Diese Zeit legte den Grundstein für seine musikalische Identität.

Schlager- und Unterhaltungsphase (1950er–1960er): Er komponierte und arrangierte Unterhaltungsmusik und sang Schlager wie „Der Mann am Klavier” (1954). Er feierte Erfolge mit Liedern wie „Jeden Tag, da lieb ich dich ein kleines bisschen mehr” (mit Greetje Kauffeld) und „Es gibt kein Bier auf Hawaii”. Auch der Versuch, sich bei der deutschen Vorentscheidung zum Grand Prix Eurovision mit Das Klavier über mir (1957) zu profilieren, war erfolgreich: Er erreichte den dritten Platz.

Leitung der SFB-Bigband und Fernsehen (1968–1980): 1968 wurde Kuhn Chefdirigent der Bigband des Senders Freies Berlin (SFB). Er leitete das Tanzorchester, war fester Bestandteil zahlreicher Fernsehsendungen wie „Gala-Abend der Schallplatte” und „Paul’s Party” und erhielt breite Anerkennung. Auch als Entertainer wurde er sichtbar. Mit der Auflösung der Bigband und dem Rückzug von EMI-Electrola im Jahr 1980 kam eine Zäsur.

Neubeginn und Rückkehr zum Jazz (1980er bis 2010er Jahre): Nach dem Wechsel nach Köln gründete Kuhn ein eigenes Orchester. Ab Mitte der 1990er Jahre trat das Paul Kuhn Trio hervor, bestehend aus Willy Ketzer (Schlagzeug) und wechselnden Bassisten wie Martin Gjakonovski oder Gary Todd. Es folgten Kollaborationen mit Benny Bailey, Gustl Mayer und Greetje Kauffeld. Ab dem Jahr 2000 folgten Tourneen mit den Swing-Legenden Max Greger, Hugo Strasser und der SWR-Bigband. Ein Höhepunkt war The L.A. Session (Aufnahme 2011, Veröffentlichung 2013) mit John Clayton und Jeff Hamilton, das international bedeutsam war und von der Kritik gefeiert wurde.

Stilistische Ausrichtungen, Genregrenzen und deren bewusste Erweiterungen

Er bewegte sich zwischen Jazz und Unterhaltungsmusik, zwischen Swing und Schlager, ohne dass ein Bereich den anderen vollständig verdrängen konnte. Sein Swing war zwar von amerikanischen Vorbildern (Miller etc.) geprägt, doch Kuhn adaptierte und transformierte diesen Stil und machte ihn so für das deutschsprachige Publikum in den Wirtschaftswunderjahren tauglich. Sein Pianospiel war nicht reines Gefunkel virtuoser Technik, sondern geprägt von Tonwahl, Dynamik, Timing, oft genug auch von Reduktion und Zurückhaltung – was denjenigen Aspekten des Jazz entspricht, die Raum lassen für Emotion, Kommunikation und Atmosphäre.

Genregrenzen ignorierte er nicht, sondern nutzte sie: Schlager-Songs, Fernsehmusik und Show-Songs dienten ihm nicht als Rückzug aus dem Anspruch, sondern als Teil eines breiten musikalischen Unterbaus. Seine bewusste Erweiterung zeigte sich darin, wie er im späteren Leben das Jazz-Repertoire wieder stärker in den Mittelpunkt rückte, alte Schwellen überwand und sowohl mit Jazzstandards als auch mit modernen Jazzformen arbeitete. „The L.A. Session” symbolisiert dieses Bestreben: kein nostalgisches Erinnern, sondern aktuell gespieltes Jazzhandwerk auf internationalem Niveau. Sein Anspruch war oft, nicht bloß gespielt zu werden, sondern mit Substanz gespielt zu werden.

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Mehr Informationen
Paul Kuhn – Der Mann am Klavier

Labelzugehörigkeiten, Live-Umsetzungen, besondere Kollaborationen und Bühnenformate

Labelzugehörigkeiten und Bühnenformate spielen bei Kuhn eine große Rolle, denn sie prägen nicht nur die Form, sondern auch die Wirkung.

Er arbeitete unter anderem mit Electrola, später EMI-Electrola, sowie mit kleineren Labels wie In+Out Records zusammen. Seine Liveauftritte reichten von kleinen Jazzclubs in den unmittelbaren Nachkriegsjahren über Bars wie die Berliner Femina-Bar und Weinlokale bis hin zu lokalen Festlichkeiten, Tanzorchester-Shows, Gala-Abenden, Fernsehstudios, großen Konzerthäusern und Festspielbühnen. Er war vielseitig, was das Format anging: Soloauftritte, Trio-Besetzungen, Bigband-Leitung, Orchesterbegleitung (z. B. Peter Alexander), Showformate (Hallo Paulchen, Pauls Party), Musiksendungen, Tanzorchesterabende.

Besondere Kollaborationen: Mehrfach mit Greetje Kauffeld, mit Trompetern wie Benny Bailey, mit Saxophonisten wie Gustl Mayer sowie mit verschiedenen Bassisten und Schlagzeugern im Trio. Seine Zusammenarbeit mit internationalen Jazzgrößen wie John Clayton und Jeff Hamilton in The L.A. Session gehört zu den künstlerischen Höhepunkten. Auch die Partnerschaften mit Max Greger und Hugo Strasser bei den „Swing Legenden” zeigen, wie Kuhn sein Netzwerk bewusst nutzte, um Swing-Traditionen am Leben zu erhalten.(

Festivals und besondere Veranstaltungsreihen spielten vor allem in späteren Jahren eine große Rolle, beispielsweise große Jazz-Festivals, Jubiläumskonzerte („As Time Goes By“-Reihe) und Tourneen durch Deutschland, bei denen alte Publikumsschichten und neue Jazzinteressierte zusammenkamen. Ein legendärer Raum war der Große Sendesaal des rbb, den Kuhn bis ins hohe Alter nutzte.

Zusammenarbeit mit anderen Künstlern

Kuhn war kein Einzelgänger, sondern Teil einer lebendigen Szene. Er hat von und mit anderen gelernt, Erfahrungen ausgetauscht und zusammengearbeitet – und dabei nicht selten Brücken geschlagen.

  • Greetje Kauffeld war eine wiederkehrende Partnerin, sowohl im Schlagerkontext als auch mit jazziger Prägung, z. B. in dem Lied Jeden Tag, da lieb ich dich ein kleines bisschen mehr.
  • Benny Bailey und Gustl Mayer: Musiker, die das Trio oder das Orchester begleiteten und so Kuhns Klangspektrum erweiterten.
  • Peter Alexander – Begleitung von Tourneen, Orchesterleitung in Begleitung großer Unterhaltungskünstler.
  • Max Greger und Hugo Strasser – mit ihnen teilte Kuhn in seinen Swing-Legenden-Projekten ab dem Jahr 2000 Bühne und Publikum. Mit der SWR-Big Band und diesen Kollegen entstanden feste Programme, die Swingtraditionen wieder aufleben ließen. (
  • John Clayton und Jeff Hamilton – als Partner bei The L.A. Session, die Kuhns internationale Anerkennung als Musiker demonstrieren, nicht nur als Nostalgiker, sondern als Künstler, der in Jazzkontexten aktuelle Qualität liefert.

Ab Ende der 1950er Jahre förderte Kuhn als Produzent Nachwuchstalente wie Ralf Bendix, Rocco Granata und Howard Carpendale und produzierte ihre Aufnahmen.

Songs von Paul Kuhn

  • Auf meinem Konto steht das Komma zu weit links
  • Das Klavier über mir
  • Der Mann am Klavier
  • Die Farbe der Liebe
  • Einsamer Cowboy
  • Es gibt kein Bier auf Hawaii
  • Gib dem Bub’ die Geige nicht
  • Ich hab’ dir aus Ägypten einen Kaktus mitgebracht
  • Jeden Tag, da lieb ich dich ein kleines bisschen mehr (mit Greetje Kauffeld)
  • Living Doll
  • Regenschirm-Song / Überall In Paris (mit Jacqueline Boyer)