Nina Kraviz

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Inhaltsverzeichnis

Nina Kraviz: Von Zahnmedizin zur Techno-Legende

Nina Kraviz, am 16. Oktober 1987 in Irkutsk geboren, wuchs mit einer breiten Sammlung aus Pop, Jazz und Progressive Rock auf und ist heute eine der prägenden DJs der internationalen elektronischen Szene. Ihr Stil bewegt sich stets an der Schnittstelle zwischen Groove, Reduktion und sinnlicher Stimme und wird durch Ambient- und Psychedelia-Einflüsse erweitert. Bedeutende Meilensteine in ihrer Karriere sind ihr Debütalbum Nina Kraviz (2012), die Gründung ihrer Labels трип/Trip Recordings und Galaxiid sowie ihre Mixe und EPs wie Pochuvstvui und Stranno Neobjazanno. Sie ist ein Festival-Headliner und versteht es, intime Clubmomente ebenso wie große Open-Airs mit ästhetischem Tiefgang zu gestalten. Kollaborationen und ihr kuratorisches Wirken erweitern konstant ihre künstlerischen Grenzen.

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Musikalische Herkunft und prägende Einflüsse

Nina Kraviz wuchs in Sibirien, in der Stadt Irkutsk, auf. Schon früh kam sie mit der Musik ihres Vaters in Kontakt, der eine Schallplattensammlung besaß, die Pop (z. B. Grace Jones, Roxy Music), Jazz (Weather Report) und Progressive Rock (Pink Floyd) umfasste. Ein entscheidender Moment war ihre Begegnung mit elektronischer Musik über das Radio: House- und Garagensendungen aus Moskau, die ihr das Gefühl vermittelten, dass Musik nicht nur akustisch, sondern auch räumlich, atmosphärisch und strukturbezogen sein kann. Sie entdeckte Chicago House, Detroit Techno, später minimalistische, acid-lastige und experimentelle Formen, aber auch Ambient, Industrial oder Psychedelia. Ihre songbezogene Stimme – hauchend, flüsternd, stöhnend – wurde früh Teil ihres musikalischen Ausdrucks. Die Grenzen zwischen Gesang und Stimme als Klangtextur einerseits und elektronischen Flächen andererseits sind bei ihr fließend.

Nina Kraviz: Künstlerische Entwicklung mit zentralen Meilensteinen

Ihre erste Veröffentlichung erfolgte Ende der 2000er Jahre. Mit Tracks wie „Voices“ (2009) und „Pain in the Ass / I Am Gonna Get You“ wurde sie über Labels außerhalb Russlands bekannt. 2012 erschien ihr Debütalbum Nina Kraviz auf Rekids. Dieses Album markiert einen Wendepunkt, da es Deep House, reduzierten Techno, atmosphärische Ambient-Elemente und ihre Stimme als Stilmittel vereint. Songs wie „Ghetto Kraviz”, „Taxi Talk”, „Working” oder „Fire” zeigen ihre Fähigkeit, Intimität und Clubtanzbarkeit zugleich zu erzeugen. Nach dem Debüt folgten EPs, Mixe und Live-Sets. Besonders wichtig war auch die Gründung ihres eigenen Labels трип / Trip Recordings im Jahr 2014. Über dieses Label veröffentlicht sie nicht nur ihre eigene Musik, sondern fördert auch andere Künstler.

Mit dem Sublabel Galaxiid hat sie einen Raum für experimentellere, ambient- und psychedelisch gefärbte Musik geschaffen. Hier zeigt sich Kraviz’ Interesse, ihre Hörerschaft nicht nur über Club-Hits, sondern auch über tiefgründigere Klangräume zu erreichen. In den folgenden Jahren brachte sie EPs wie „Pochuvstvui” (2017) und „Strano neob’yazatel’no” heraus, die deutlich machen, dass sie sich nicht scheut, zwischen Härte und Zerbrechlichkeit, zwischen tanzbarem Beat und introspektivem Raum zu balancieren.

Stilistische Ausrichtungen, Genregrenzen und bewusste Erweiterungen

Was Nina Kraviz besonders macht, ist ihre ambivalente Haltung zu Genres und die bewusste Überschreitung von Gattungsgrenzen. Techno, House, Acid, Ambient, Psychedelia – sie hält sich nicht in einer Schublade auf, sondern nutzt die Texturen der verschiedenen Genres je nach Bedarf. Auf ihrem Debütalbum dominieren reduzierte Beats und tiefe, atmosphärische Flächen, die sich oft klar auf Clubnächte ausrichten, aber auch Momente der Stille und des Rückzugs aufweisen. Beispiel: „Working” ist weniger ein Tanzstück als eine experimentelle Ambient-Passage zwischen den Tracks.

Kraviz nutzt ihre Stimme nicht nur als lyrisches Mittel, sondern auch als Instrument: Sie flüstert, haucht, verstört und erzeugt Nähe – oft im Kontrast zu den raueren, härteren Beats. Das macht ihre Musik sinnlich, ambivalent und manchmal auch verstörend. Mit Galaxiid öffnet sie noch breitere Horizonte: Ambient und Psychedelia, obskure elektronische Archäologie (zum Beispiel remasterte Werke aus den 70ern, obskure russische Frühelektronik, internationale Pionier:innen) sind Teil dessen, was sie hört und kuratiert.

Am Ende ist Nina Kraviz kein typisches Beispiel für eine DJane/Produzentin – sie ist eine Kuratorin von Atmosphäre, eine Grenzgängerin. Ihr Vertrauen in Klangräume – auch die rauen und zerbrechlichen – verbunden mit einem Sinn für Groove und Körperlichkeit, macht ihre Musik selten glattpoliert oder einfach konsumierbar. Stattdessen fordert sie Aufmerksamkeit für Stille, für Atem, für Rauschen und Resonanz.