Blind Lemon Jefferson

Blind Lemon Jefferson

Inhaltsverzeichnis

Blind Lemon Jefferson: Vater des Texas-Blues

Blind Lemon Jefferson ist kein Relikt, sondern ein Herzschlag im Rückgrat der amerikanischen Musik. Zwischen Schmerz, Spiritualität und virtuoser Fingertechnik erzählte er die Geschichten einer Zeit, die genauso roh wie schön war. Sein hochstimmiger Gesang und die flirrende Gitarrenmagie sind Zeitdokument und Blaupause zugleich – ein bleibendes Echo aus den texanischen Ebenen im Weltgedächtnis.

Musikalische Herkunft und prägende Einflüsse

Blind Lemon Jefferson war ein sehr populärer und einflussreicher US-amerikanischer Bluessänger und -gitarrist der 1920er Jahre. Geboren am 24. September 1893 auf einer Baumwollplantage nahe Couchman, Texas, war Lemon Henry Jefferson von Geburt an blind. Schon als Junge sog er die Klänge ländlicher Arbeiter, mexikanischer Flamenco-Gitarristen sowie Gospel- und Gefängnislieder auf – ein klanglicher Mikrokosmos, der seine spätere Kunst formte. In seinen Songs schlugen diese vielfältigen Wurzeln mit rasanten Gitarrenläufen und einer Stimme mit scharfen Höhen durch, die Klangwolken des Alltags durchtrennten und unmittelbar in die Seele trafen.

Vom Landstreicher zum Studio-Star

Mit knapp 30 wurde er vom Paramount-Scout in Dallas entdeckt. Zwischen 1926 und 1929 nahm er über 80 Stücke auf – ein überwältigender Output, der ihn zum ersten Solo-Blues-Superstar machte. Er nahm Songs wie „Black Snake Moan“, „Match Box Blues“ und „See That My Grave Is Kept Clean“ auf – Stücke, die sowohl spirituell als auch mit der Endlichkeit des Lebens spielten.

Im Studio offenbarte sich sein Instrumentenkosmos: ein Gitarrenstil, der linke- und rechte-Hand-Piano zu imitieren schien – hammernde Triaden, gepaart mit melodischen Gegenstimmen. Seine hoch und zugleich klagende Stimme mit Vibrato, Bending und Moans machte ihn zur Urgewalt im Country-Blues. Er gilt als bedeutendster Vertreter und einer der Väter des Texas Blues.

Künstlerische Entwicklung und Meilensteine

1926 gelang ihm mit „That Black Snake Moan” der komplette Rundumschlag. Jefferson verband doppeldeutige Sexualität mit düsterer Erotik und wurde so zum prägenden Sound der Szene. 1927 folgte mit „Match Box Blues“ ein weiterer Klassiker, der später von Carl Perkins und The Beatles adaptiert wurde – das Rock’n’Roll-Zeichen schlechthin.

Mit Gospel unter dem Pseudonym „Deacon L. J. Bates“ zeigte er seine spirituelle Seite („I Want to Be Like Jesus …“) – zwischen Bluesgranit und Kirchenbänken schlug er gekonnt die Brücke.

Stilistische Brechungen & Genrefusion

Jefferson verschob das Genre mit mutiger Formfreiheit: Er dehnte die klassische 12-Takte-Blues-Struktur durch zusätzliche Takte, Soloantworten und Temposchwankungen – frei improvisiert und nonkonform. Er bewegte sich zwischen Country, Ragtime, Gospel und Blues – ein Klangrebell, der keine Genregrenzen kannte.

Label, Live-Auftritte & Kollaborationen

Seine Karriere verlief primär solo für Paramount – später für Okeh –, gesteuert von Produzenten wie Art Laiby, der ihn 1926 erstmals ins Studio brachte. Live begeisterte er auf Bordell- und Saloon-Partys. Der Blues-Kollege Dave Van Ronk berichtete, Jefferson habe „Red-Light-Partys“ gespielt und sich mit einem Chauffeur herumgetrieben, bis er auf eben jenen wartend auf mysteriöse Weise ums Leben kam.

Heutzutage existieren kaum dokumentierte Duette. Dennoch beeinflusste er Huddie Ledbetter (Lead Belly) und Lightnin’ Hopkins, die seine Stücke in eigenen Fassungen aufnahmen oder von ihm lernten.

Zusammenarbeit und Einfluss auf kommende Generationen

Jefferson inspirierte T-Bone Walker, Lead Belly, B. B. King, Robert Johnson, Doc Watson und viele andere. Seine Licks, Melodien und Arrangements wurden bis in die Rock-Ära übernommen, beispielsweise von Bob Dylan, den Beatles, Phish, Elvis und den Rolling Stones.

Sein Leben endete 1929 in Chicago, die genaue Todesursache ist unklar – Herzversagen oder Erfrierung. Sein Schicksal bleibt rätselhaft. Doch sein Werk überlebte: Er wurde posthum in die Blues Hall of Fame (1980) aufgenommen, seine Grabstätte im Wortham Cemetery ziert seit 1997 eine Granitplatte und sein „Matchbox Blues“ ist einer der 500 Songs, die die Rock-and-Roll-Historie prägten.