Blues

Blues

Inhaltsverzeichnis

Was ist Blues?

Der Blues ist nicht nur ein Musikstil, sondern auch ein kulturelles und historisches Phänomen mit einer tiefen Bedeutung und einer Vielzahl von Merkmalen. Er ist eng mit der Geschichte der afroamerikanischen Bevölkerung in den USA verbunden und dient als Ausdrucksmittel für deren Erfahrungen, Emotionen und Geschichten, insbesondere im Zusammenhang mit Diskriminierung, Armut und Unterdrückung. Der Blues ist daher weit mehr als nur melancholische Musik, er steht für Schmerz, aber auch für Widerstandskraft, Hoffnung und die Bewältigung von Herausforderungen.

Blues als Ausdruck von Traurigkeit und Gemeinschaft

Die Bedeutung des Blues liegt in seiner Funktion als Sprachrohr für Gefühle und Erfahrungen, die sich oft am Rande der Gesellschaft abspielen. Der Begriff „Blues“ leitet sich von der englischen Redewendung „I feel blue“ ab, was so viel bedeutet wie „Ich bin traurig“. Diese Melancholie und Traurigkeit sind zentrale Themen des Blues, gleichzeitig transportiert er aber auch Kraft und Widerstand, indem er diese Emotionen offen ausspricht und so Raum für Verarbeitung und Heilung schafft. Er ist eine musikalische Form, die es ermöglicht, persönliche und gesellschaftliche Probleme auszudrücken und gleichzeitig eine Gemeinschaft von Menschen mit ähnlichen Erfahrungen zu verbinden.

Der Blues zeichnet sich durch eine Reihe charakteristischer musikalischer und struktureller Merkmale aus, die ihn unverwechselbar machen. Die wohl bekannteste Form ist der 12-Takt-Blues, der sich durch eine immer wiederkehrende Abfolge von drei Akkorden auszeichnet. Diese einfache, aber wirkungsvolle Struktur bildet die Grundlage vieler Bluesstücke und bietet den Musikern gleichzeitig Raum für Improvisation und Variation, was dem Genre eine besondere Dynamik verleiht.

Ein weiteres zentrales Element des Blues sind die so genannten Blue Notes. Dabei handelt es sich um Töne, die absichtlich tiefer als in der Standardtonleiter gespielt werden. Diese bewusste Abweichung erzeugt emotionale Spannung und trägt wesentlich zur einzigartigen Stimmung und Klangfarbe der Blues-Melodien bei.

Die Texte des Blues folgen oft einem AAB-Muster, bei dem eine Textzeile zweimal wiederholt wird, bevor eine dritte Zeile die Aussage abschließt oder kommentiert. Diese Form unterstreicht den erzählerischen Charakter der Texte, in denen es häufig um Themen wie Liebeskummer, Enttäuschung, soziale Ungerechtigkeit oder auch Alltagsbeobachtungen geht. Diese Geschichten und Erfahrungen werden durch die Musik verstärkt und stellen eine emotionale Verbindung zum Publikum her.

Traditionell wird der Blues von Instrumenten wie Gitarre, Klavier oder Mundharmonika begleitet. Aber auch Blasinstrumente wie Trompete oder Saxophon sind häufig zu hören, vor allem im späteren Blues und verwandten Stilen wie dem Jazz. Die Instrumentierung ist meist einfach gehalten, um den Gesang und die Erzählung in den Vordergrund zu stellen und die Wirkung der Musik zu verstärken.

Die Geschichte des Blues

Die Anfänge des Blues gehen auf das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert in den Südstaaten der USA zurück. Der Blues entwickelte sich als eigenständige Form afroamerikanischer Folklore, die sich nicht ausschließlich aus Genres wie Gospel, Negro Spirituals oder Worksongs (einschließlich der sogenannten Fieldholler) ableitet. Vielmehr enthält der Blues Elemente verschiedener Musiktraditionen, darunter afrikanische, europäische und karibische Einflüsse. Die ersten dokumentierten Formen des Blues finden sich in den Vaudeville- und Minstrel-Shows des späten 19. Jahrhunderts.

In seinen frühen Jahren war der Blues nur ein Teil des Repertoires afroamerikanischer Musiker, die auch aktuelle Schlager, Ragtime, Countrysongs und andere zeitgenössische Popmusik spielten. Diese Musiker wurden eher als „Songster“ denn als „Blueser“ bezeichnet. Der Blues diente in erster Linie der Unterhaltung und wurde häufig bei sogenannten House- und Rent-Partys oder öffentlichen Veranstaltungen gespielt. Erst mit der zunehmenden Kommerzialisierung durch Plattenfirmen in den 1920er und 1930er Jahren entwickelte sich eine Spezialisierung auf reine Bluessongs.

Um 1910 war der Begriff „Blues“ fest im allgemeinen Sprachgebrauch verankert. Künstlerinnen wie Bessie Smith, Ma Rainey und Alberta Hunter sowie der Musiker und Komponist W. C. Handy (1873-1958) spielten eine entscheidende Rolle bei der Popularisierung des Blues. Handys Veröffentlichungen wie *Memphis Blues* (1912) und vor allem *St. Louis Blues* (1914) weckten das Interesse eines breiteren Publikums. Handy war einer der ersten, der Blues-Stücke notierte und für andere Musiker und Sänger arrangierte. Morton Harvey nahm 1915 *Memphis Blues* als erste Vokal-Bluesplatte bei Victor Records auf (Nr. 17657), begleitet von den New Yorker Philharmonikern.

Die erste kommerzielle Bluesaufnahme eines afroamerikanischen Künstlers stammt von Mamie Smith, die im Februar 1920 *That Thing Called Love* bei Okeh Records veröffentlichte. Im August desselben Jahres folgte ihr Hit *Crazy Blues*, der sich als erster gesungener Blues-Song in den Charts platzieren konnte und zum Millionenseller wurde. Allein im ersten Monat wurden rund 75.000 Platten verkauft, was dem Blues zu großer Popularität verhalf.

1927 nahm Big Bill Broonzy seine erste Platte auf und prägte mit Künstlern wie Blind Lemon Jefferson, Tampa Red und Blind Blake den gitarrenlastigen Folk-Blues der folgenden Jahre. Robert Johnson gilt als zentrale Figur des Delta Blues, obwohl er erst in den 1950er und 1960er Jahren mit der Wiederentdeckung des Blues durch ein weißes Publikum zu Ruhm gelangte. Charley Patton wird oft als „Vater des Delta Blues“ bezeichnet und hatte großen Einfluss auf viele spätere Interpreten.

Durch die Migration vieler Afroamerikaner aus dem Süden in die Städte des Nordens der USA, insbesondere nach Chicago und Detroit, vermischten sich dort populäre Jazz- und Bluesstile und führten zur Entwicklung des Urban Blues. In den 1940er und 1950er Jahren entwickelte sich in Chicago der in den Südstaaten populäre Country Blues zum elektrischen Blues. Verstärkte Instrumente spielten dabei eine entscheidende Rolle, was besonders bei Künstlern wie Memphis Minnie, Muddy Waters, John Lee Hooker und Howlin’ Wolf deutlich wurde und zur Entstehung des Rhythm and Blues führte.

Der akustische Country Blues erlebte in den 1950er Jahren im Zuge der Folkbewegung eine Renaissance. Einen großen Einfluss auf die Verbreitung des Blues in Europa hatte das American Folk Blues Festival, bei dem Künstler wie John Lee Hooker, T-Bone Walker und Jimmy Reed auftraten. Auch der elektrische Blues wurde in den USA seit Mitte der 1940er Jahre von Radio-DJs wie Alan Freed verbreitet und erreichte so ein weißes Publikum, das ihn aufgrund der Rassentrennung sonst kaum gehört hätte. Aus der Vermischung des Blues mit raueren Country-Stilen wie dem Honky Tonk entwickelte sich schließlich der Rock ’n‘ Roll.

In den 1960er Jahren wuchs das Interesse junger Menschen in den USA und Großbritannien an afroamerikanischer Musik. Neuveröffentlichungen alter Bluesaufnahmen auf Langspielplatten (z.B. von Labels wie Origin Jazz Library, Mamlish oder Yazoo) und Neueinspielungen ‚wiederentdeckter‘ Künstler (z.B. von Arhoolie und Biograph) trugen wesentlich zur Renaissance des Blues bei. Viele britische Rockbands der 1960er Jahre nutzten den Blues als Grundlage ihrer Musik und brachten ihn während der sogenannten „British Invasion“ zurück in die USA. Auch dort wurde er von weißen Rockmusikern wie der Butterfield Blues Band, Canned Heat und Johnny Winter aufgegriffen und zum Bluesrock weiterentwickelt. Bands und Künstler wie The Doors, Led Zeppelin, Jimi Hendrix, Eric Clapton, Alvin Lee, Peter Green, The Rolling Stones und Rory Gallagher ließen sich sowohl vom akustischen als auch vom elektrischen Blues inspirieren und entwickelten daraus ihren eigenen Stil.

In Deutschland setzten ab den 1970er Jahren Bands wie die Al Jones Bluesband, die Frankfurt City Blues Band und *Das dritte Ohr* die Tradition von Musikern wie Muddy Waters oder B.B. King fort. Später wurden Gruppen wie die Mojo Blues Band aus Wien oder die Blues Company populär. Vor allem in der DDR pflegten Künstler wie Hansi Biebl, Jürgen Kerth und Klaus Renft den deutschsprachigen Blues. Obwohl der Blues als populäre Musikform in der afroamerikanischen Community mittlerweile von Stilen wie Soul, Hip-Hop oder R’n’B abgelöst wurde, lebt er durch weiße und afroamerikanische Künstler weiter. Dazu gehören Susan Tedeschi, Ana Popović, Buddy Guy, Robert Cray, Luther Allison, John Primer, Stevie Ray Vaughan, Bonnie Raitt, Joe Bonamassa, The Black Keys und Jack White.

Bekannte Blues-Songs

  • B.B. King – The Thrill Is Gone
  • Bessie Smith – Nobody Knows You When You‘re Down And Out
  • Big Mama Thornton – Hound Dog
  • Billie Holiday – Strange Fruit
  • Etta James – I’d Rather Go Blind
  • Gary Moore – Still Got The Blues
  • Howlin‘ Wolf – Smokestack Lightnin‘
  • John Lee Hooker – Boogie Chillen (Boogie Chillun)
  • Muddy Waters – I’m Your Hoochie Coochie Man
  • Muddy Waters – Mannish Boy
  • John Lee Hooker – Boom Boom
  • Robert Johnson – Cross Road Blues
  • Slim Harpo – I’m A King Bee
  • The Rolling Stones – Little Red Rooster

Liste bekannter Bluesmusiker

  • Al Jones Bluesband
  • Albert Collins
  • Albert King
  • Alberta Hunter
  • Alvin Lee
  • Ana Popović
  • B.B. King
  • Bernard Allison
  • Bessie Smith
  • Big Bill Broonzy
  • Big Mama Thornton
  • Billie Holiday
  • Blind Blake
  • Blind Lemon Jefferson
  • Blues Brothers Band
  • Blues Company
  • Bo Diddley
  • Bonnie Raitt
  • Buddy Guy
  • Butterfield Blues Band
  • Canned Heat
  • Charley Patton
  • Chuck Berry
  • Das dritte Ohr
  • Duane Allman
  • Elmore James
  • Eric Clapton
  • Etta James
  • Frankfurt City Blues Band
  • Freddy King
  • Hansi Biebl
  • Howlin’ Wolf
  • Jack White
  • Janis Joplin
  • Jimmy Reed
  • Jimmy Witherspoon
  • Jimi Hendrix
  • Joe Bonamassa
  • John Lee Hooker
  • John Primer
  • Johnny Winter
  • Jürgen Kerth
  • Klaus Renft
  • Led Zeppelin
  • Lightnin‘ Hopkins
  • Little Walter
  • Luther Allison
  • Ma Rainey
  • Mamie Smith
  • Memphis Minnie
  • Mojo Blues Band
  • Morton Harvey
  • Muddy Waters
  • Muddy What?
  • Otis Rush
  • Peter Green
  • Ray Charles
  • Robert Cray
  • Robert Johnson
  • Rory Gallagher
  • Slim Harpo
  • Sonny Boy Williamson
  • Stefan Diestelmann
  • Stevie Ray Vaughan
  • Susan Tedeschi
  • T-Bone Walker
  • Tampa Red
  • The Black Keys
  • The Doors
  • The Rolling Stones
  • Walter Trout
  • W.C. Handy
  • Willie Dixon