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Was ist die Hamburger Schule?

Die Hamburger Schule ist eine bedeutende Musikbewegung, die Ende der 1980er Jahre in Hamburg entstand und Mitte der 1990er Jahre ihren kommerziellen Höhepunkt erreichte. Sie knüpfte an die Traditionen der Neuen Deutschen Welle an und verband diese mit Elementen aus Indie-Rock, Punk, Grunge und Pop. Diese Bewegung prägte die deutsche Jugendkultur nachhaltig und brachte ein neues Selbstverständnis für den Gebrauch der deutschen Sprache in der Popmusik mit sich. Die Stilrichtungen der Hamburger Schule werden auch als Diskurspop oder Diskursrock bezeichnet, was ihren intellektuellen Anspruch und ihre gesellschaftskritische Haltung unterstreicht.

Entstehung und Begriffsentwicklung

Der Begriff Hamburger Schule wurde erstmals 1991 von Hans Nieswandt in einer Rezension der LP Hi! der Hamburger Band Hallelujah Ding Dong Happy Happy! in der Zeitschrift Spex verwendet. Der taz-Redakteur Thomas Groß prägte den Begriff in einem Artikel anlässlich des fast gleichzeitigen Erscheinens der beiden Alben Reformhölle von Cpt. Kirk &. und Ich-Maschine von Blumfeld im Jahr 1992. Die Anspielung auf die Frankfurter Schule deutet auf eine tiefere Auseinandersetzung mit Themen hin, für die die deutschsprachige Musik bis dahin nicht bekannt war.

Hamburger Schule – Die Nordstory, NDR

Musikalische und thematische Merkmale

Die Hamburger Schule wurde zunächst stark von Hamburger Bands wie Cpt. Kirk &, Kolossale Jugend, Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs, Die Erde, Blumfeld, Die Goldenen Zitronen oder Huah! geprägt. Diese Bewegung ist nicht nur ein „Sammelbecken ähnlich klingender Musik“, sondern zeichnet sich vor allem durch ihre deutschsprachigen Texte aus, die oft einen hohen intellektuellen Anspruch haben und sich intensiv mit Gesellschaftskritik, linken politischen Positionen und postmodernen Theorien auseinandersetzen. Die Musikpresse, insbesondere der Spex, hob diese Eigenschaften als besonders lobenswert hervor.

Die deutsche Sprache wurde von den Bands nicht bewusst als Ausdrucksmittel gewählt, sondern war aufgrund ihrer Muttersprache das natürliche Medium für ihre Texte. Diese Haltung distanzierte die Hamburger Schule von nationalistischen Interpretationen des Singens in deutscher Sprache.Ein Beispiel dafür ist das Lied „Ich scheiß auf deutsche Texte“ von Die Sterne.

Historische Entwicklung

Die Anfänge

Ende der 1980er Jahre entwickelte sich in Hamburg eine deutschsprachige Musikszene, deren Bands jedoch bis auf Die Antwort keinen Plattenvertrag hatten und nicht veröffentlichten. Erst mit der Gründung des Labels L’age d’or im Oktober 1988 erhielten diese Bands eine Plattform. Zentral für die Entwicklung der Hamburger Schule waren die Gründer Carol von Rautenkranz und Pascal Fuhlbrügge sowie der Produzent Chris von Rautenkranz. Ein weiterer wichtiger Akteur war Alfred Hilsberg mit seinem Label What’s So Funny About, auf dem die ersten Alben von Blumfeld, Die Erde, Cpt. Kirk &. und Mutter erschienen.

Verbreitung und regionale Bindung

Bald wurden auch deutschsprachige Bands aus anderen Teilen Deutschlands zur Hamburger Schule gezählt. Eine wichtige Verbindung bestand zwischen Hamburg und Ostwestfalen/Lippe, wo sich um das Label Fast Weltweit eine eigene Szene deutschsprachiger Musik gebildet hatte. Diese Verbindung entstand durch Bernd Begemann, der von Bad Salzuflen nach Hamburg zog und dort die Band Die Antwort gründete.

Kommerzieller Erfolg und Weiterentwicklung

Mitte der 1990er Jahre waren vor allem Blumfeld, Die Sterne und Tocotronic sehr erfolgreich. Dieser Erfolg führte zu einem größeren Bekanntheitsgrad deutschsprachiger Gitarrenbands. Mit der Etablierung einer bundesweiten Indie-Pop-Szene verlor der Begriff „Hamburger Schule“ jedoch zunehmend an Bedeutung. Tocotronic äußerten sich auf ihrer Website kritisch über die Kommerzialisierung und Nationalisierung der deutschen Musikszene.

Einfluss und Nachwirkung

Ende der 1990er Jahre entstand eine neue Welle deutscher Gitarrenmusik mit intellektuellem Anspruch, die an die Traditionen der Hamburger Schule anknüpfte. Bands wie Spillsbury, Kettcar und Tomte sind Beispiele dieser neuen Generation. Auch die massentaugliche Popmusik wurde von der Hamburger Schule beeinflusst, wie die Band Wir sind Helden zeigt.

Kulturelle und gesellschaftliche Bedeutung

Die Hamburger Schule war nicht nur eine musikalische Bewegung, sondern hatte auch kulturelle und gesellschaftliche Implikationen. Sie förderte die kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Themen und trug zur Herausbildung einer intellektuellen Jugendkultur bei. Ihre Mitglieder engagierten sich häufig politisch und sozial, was den Gemeinschaftsgedanken der Bewegung stärkte.