Anja Schneider

Anja Schneider

Inhaltsverzeichnis

Anja Schneider ist eine der prägenden DJs und Musikproduzentinnen der elektronischen Musikszene. Seit mehr als zwei Jahrzehnten schlägt sie Brücken zwischen Clubfloor, Radio, Labelmanagement und Produzentenarbeit. Seit ihren Anfängen in Berlin hat sie einen Sound entwickelt, der tief, melodisch und von einer klaren Dramaturgie geprägt ist. Mit Mobilee Records und später Sous Music schuf sie Plattformen, auf denen nicht nur ihre eigene Kunst, sondern auch die vieler anderer Künstler:innen wachsen konnte. Ihr Werk lebt von einer Balance aus technischer Präzision und emotionaler Tiefe – immer nah an den Menschen, die tanzen, zuhören und Musik als verbindendes Erlebnis begreifen.

Musikalische Herkunft und prägende Einflüsse

Anja Schneider beschreibt, dass ihre frühen Leidenschaften bei Depeche Mode, The Cure und natürlich Kraftwerk lagen – Bands und Künstler:innen, die ihr eine „neue Dimension des Musikwissens eröffneten“. Diese Einflüsse verbanden Atmosphärisches mit Rhythmischem und gaben ihr das Gefühl, dass Musik mehr sein kann als Unterhaltung, nämlich eine Erfahrung, die auf vielen Ebenen berührt.

Parallel dazu prägte die Berliner Clubszene der frühen 1990er Jahre ihren musikalischen Horizont. Tresor, E-Werk oder Planet waren keine simplen Orte zum Tanzen, sondern Laboratorien für neue Klänge, Gemeinschaft und kulturelle Experimente. Diese Mischung aus internationaler Pop-Avantgarde und lokaler Subkultur bildete den Boden für ihre späteren künstlerischen Schritte.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen
Anja Schneider – The Lot Radio

Künstlerische Entwicklung und zentrale Meilensteine

Erste Produktionen und Gründung von Mobilee

2004 schrieb sie mit ihrem Freund Sebo K ihren ersten Song für PIAS – ein Werk, das kurz vor der Gründung ihres eigenen Labels entstand. Nur ein Jahr später, im Jahr 2005, rief sie Mobilee Records ins Leben, das zu einem der einflussreichsten Berliner Techno- und House-Labels werden sollte. Frühwerke wie „Rancho Relaxo / Side Leaps” zeigten bereits ihre charakteristische Handschrift: rhythmische Präzision, Groove, aber auch ein Gespür für emotionale Tiefe.

2008 folgte mit Beyond The Valley ihr erstes Album. Für Schneider war dies nicht nur ein Statement als DJ, sondern auch als Produzentin mit eigener Stimme. Sie betont, dass Kopieren und Lernen am Anfang ihrer Laufbahn wichtige Prozesse waren. Originalität entstehe nicht im luftleeren Raum, sondern in der Reibung mit dem, was andere Künstler:innen zuvor erschaffen haben, so Schneider. „Alles ist schon da – man muss Aspekte aufgreifen und sie auf seine eigene Weise interpretieren“, erklärt sie. Diese Haltung prägte ihr gesamtes Schaffen.

Wechsel zu Sous Music und neues Selbstverständnis

2017 trennte sich Schneider von Mobilee, um mit Sous Music einen noch persönlicheren Weg einzuschlagen. Das Album SoMe markierte dabei einen wichtigen Schritt: ein Werk, das House, Techno und subtile Pop-Anleihen vereinte, ohne je beliebig zu wirken. Hier zeigt sich, was ihren künstlerischen Kern ausmacht: Risiko, Offenheit und eine klare Vision. Sie selbst beschreibt es so: „Manchmal ist es gut, gegen den Strom zu schwimmen – das kann einen einzigartig machen.“

Stilistische Ausrichtungen und Genreerweiterungen

Schneiders Musik lässt sich nur schwer auf ein Genre reduzieren. Sie bewegt sich an der Schnittstelle von Techno und Deep House, greift aber immer wieder auf analoge Synthesizer und Drumcomputer zurück, um einen warmen, lebendigen Klang zu erzeugen. Für sie gilt: Maschinen liefern Strukturen, aber „die Seele und den Rhythmus bringt der Mensch“.

Ihre DJ-Sets gleichen Erzählungen: Sie baut Stimmungen auf, steigert sie, bricht sie auf und lässt Überraschungen zu. Dabei bleibt sie sich selbst treu: „Es geht nicht darum, etwas komplett Neues zu erfinden, sondern darum, Aspekte zu nehmen und sie so zu interpretieren, dass sie spannend und authentisch wirken.“

Diese Haltung erklärt, warum sie sowohl in minimalistischen Strukturen als auch in melodischeren Ansätzen zu Hause ist. Sie nimmt sich die Freiheit, melancholische Stimmungen aufzugreifen, wenn sie diese verspürt, oder einen Track mit unerwarteter Farbe zu versehen. Dies verglich sie einmal selbst mit einem „plötzlich pinken Moment“.

Labelarbeit, Live-Erfahrung und Bühnenformate

Mit Mobilee Records baute sie eine Plattform auf, die nicht nur ihre eigene Karriere voranbrachte, sondern auch Künstlern wie Pan-Pot oder Sebo K sichtbar machte. Labelnächte im Watergate oder WMF wurden legendär. Sous Music ist dagegen intimer und persönlicher – ein Raum, in dem sie sowohl eigene Produktionen als auch ausgesuchte Künstler:innen präsentiert.

Darüber hinaus bleibt der Live-Kontext entscheidend. Schneider beschreibt das Gefühl, einen Track im Studio zu produzieren und später vor Publikum zu spielen, als „massive Verbindung“, die Kraft gibt und wiederum ins Studio zurückfließt. Dieses Wechselspiel aus Komposition und Performance prägt ihr Schaffen nachhaltig.

Alltag, Kreativität und Balance

Trotz ihrer internationalen Präsenz beschreibt Anja Schneider ihr Leben als erstaunlich bodenständig. Als Mutter folgt sie einem festen Tagesrhythmus: Kinder versorgen, Joggen, Studio, Büroarbeit. Diese Struktur sei notwendig, um im kreativen Chaos klare Linien zu finden. Sie zieht Inspiration aus Reisen, Begegnungen und Kulturen – Eindrücke, die in melancholische oder euphorische Tracks münden können.

Ihre Haltung ist dabei durchweg authentisch: „Bleib deinen Gefühlen treu, dann hat auch deine Musik dieselbe Authentizität.“ Sie betrachtet Kunst weniger als Distinktionsmerkmal, sondern als Haltung: ehrlich, respektvoll und bewusst.