JJ

JJ - Johannes Pietsch

Inhaltsverzeichnis

Künstlerischer Ursprung und Karriere

JJ, bürgerlich Johannes Pietsch, geboren am 29. April 2001 ist eine der markantesten Neuentdeckungen der europäischen Musiklandschaft der 2020er-Jahre. Er gewann mit dem Lied „Wasted Love“ für Österreich den Eurovision Song Contest 2025 in Basel. Der österreichische Sänger philippinischer Herkunft vereint eine klassische Gesangsausbildung mit dem Anspruch, Popmusik neu zu denken – jenseits von Konventionen, Gendernormen und Genregrenzen. Sein außergewöhnliches Stimmfach als Countertenor ist dabei mehr als eine vokale Besonderheit: Es ist Ausdruck seiner künstlerischen Vision, Identität und Haltung.

Aufgewachsen in Dubai, wo er die Deutsche Internationale Schule besuchte, wurde JJ früh mehrsprachig (Deutsch, Englisch, Französisch, Tagalog) und kulturell geprägt. Nach seiner Rückkehr nach Wien im Jahr 2016 maturierte er 2020 und begann seine klassische Gesangsausbildung an der Opernschule der Wiener Staatsoper. Seit 2023 studiert er Sologesang bei der renommierten Sopranistin Linda Watson an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (MUK). 2022 feierte er sein Operndebüt in „Von Der Liebe Tod“, einer zeitgenössischen Produktion an der Wiener Staatsoper – ein mutiges, vielbeachtetes Statement einer neuen Sänger*innengeneration.

Von Castingshows zur Pop-Innovation

Den ersten Schritt in die internationale Sichtbarkeit wagte JJ über TV-Bühnen: 2020 bei The Voice UK überzeugte er Coach Will.i.am, scheiterte aber in der Knock-out-Runde. 2021 folgte ein Auftritt bei Starmania in Österreich. Beide Formate brachten ihm Reichweite, nicht aber den Durchbruch – dieser sollte aus einer ganz anderen Richtung kommen.

Statt sich in klassischen Pop-Mustern zu verlieren, begann JJ, seinen Sound zwischen Oper, Kunstlied und elektronischem Pop zu entwickeln. Einflüsse von Künstler*innen wie Klaus Nomi, Björk, Antony & The Johnsons, aber auch Pop-Visionären wie Arca oder SOPHIE sind hörbar, jedoch nie bloß kopiert. Sein Ziel: musikalische Fluidität – eine Stimme als Instrument, das Genregrenzen aufbricht und emotional unter die Haut geht. Für Musiknerds besonders spannend ist dabei seine gesangstechnische Hybridität: Vibrato-reduzierte Falsettpassagen treffen auf kontrolliertes Legato, koloraturhafte Einwürfe auf minimalistische Produktion.

Durchbruch mit Wasted Love – Der ESC 2025 in Basel

Seinen künstlerischen Durchbruch feierte JJ 2025 beim Eurovision Song Contest in Basel, wo er mit dem Track Wasted Love nicht nur Jury und Publikum überzeugte, sondern mit 436 Punkten den Wettbewerb gewann. Der Song, produziert und geschrieben mit der serbisch-österreichischen Songwriterin Teodora Špirić, ist ein Musterbeispiel für JJ’s Ästhetik: Ein pulsierendes, artifiziell produziertes Klanggerüst trifft auf opernhafte Gesangsbögen, deren Intensität emotional entwaffnet. Inhaltlich verhandelt der Song Verlust, Begehren und Transformation – zentrale Motive in JJs Werk.

Kurz vor dem ESC-Finale performte JJ ein Mashup aus Wasted Love und Rise Like a Phoenix gemeinsam mit Conchita Wurst – eine musikalisch wie symbolisch bedeutsame Allianz queerer Popgeschichte.

Politische Kontroversen nach dem Sieg

Nach seinem Sieg sorgte JJ mit kritischen Aussagen zur israelischen Teilnahme am ESC für internationale Aufmerksamkeit. In Interviews mit spanischen Medien äußerte er Unverständnis über Israels Zulassung zum Wettbewerb angesichts der militärischen Aktionen im Gazastreifen. Er zog einen Vergleich zur russischen Invasion in der Ukraine und forderte einen Ausschluss Israels für 2026. Dabei betonte er, dass Künstler lediglich ihre Meinung äußern könnten – die Entscheidung liege bei der Europäischen Rundfunkunion.

Die Reaktionen auf seine Äußerungen waren kontrovers: Während einige Stimmen Verständnis zeigten, gab es auch scharfe Kritik, etwa von Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, der JJ Antisemitismus vorwarf. Bundespräsident Alexander Van der Bellen appellierte an Differenzierung und warnte vor Pauschalurteilen. JJ selbst erklärte, es tue ihm leid, wenn seine Aussagen missverstanden worden seien, und kündigte an, sich künftig nicht weiter zur Thematik zu äußern.

Künstlerische Haltung und Ästhetik

JJ lebt offen queer und versteht seine künstlerische Arbeit als aktives Spiel mit Identitäten. Für ihn ist Musik ein Medium politischer wie ästhetischer Grenzüberschreitung. Seine Auftritte sind oft bewusst androgyn stilisiert, seine Videos choreografisch präzise und visuell aufgeladen. Auch die Bühne wird bei JJ zur Projektionsfläche: Licht, Kostüm, Bewegung und Stimme bilden ein Gesamtkunstwerk – inspiriert von Konzeptkunst, Vogue-Ballroom und der queeren Avantgarde.

Trotz des ESC-Ruhms bleibt JJ künstlerisch unabhängig. Bisher wurden keine Verträge mit Majorlabels bekannt; er produziert größtenteils im Eigenvertrieb, teilweise über kleinere Studios in Wien und Berlin.

Veröffentlichungen & Ausblick

Neben Wasted Love arbeitet JJ aktuell an seiner ersten EP, die laut ersten Informationen zwischen Barockzitaten, elektronischen Klanglandschaften und experimentellem Pop changieren soll. Erste Remixe des ESC-Songs – unter anderem von dem Berliner Producer Kiddy Smile und der norwegischen Künstlerin Aurora – kursieren bereits auf Streaming-Plattformen. Ein Debütalbum ist für Anfang 2026 geplant.