Ulrich Tukur

Ulrich Tukur

Inhaltsverzeichnis

Ulrich Tukur: Ein Leben zwischen Schauspiel und Musik

Ulrich Tukur, geboren am 29. Juli 1957, ist eine Ikone der deutschen Schauspielkunst, dessen Name untrennbar mit anspruchsvollen Theaterinszenierungen und preisgekrönten Filmen verbunden ist. Doch neben seiner beeindruckenden Karriere auf der Bühne und vor der Kamera hegt Tukur eine ebenso große Leidenschaft für die Musik der 1920er bis 1940er Jahre. Diese Liebe fand ihren Ausdruck in der Gründung seiner Tanzband „Die Rhythmus Boys“ im Jahr 1995.

Tukur ist somit ein Ausnahmekünstler, der in zwei scheinbar unterschiedlichen Welten brilliert und diese auf einzigartige Weise miteinander verbindet. Dieser Artikel beleuchtet die facettenreiche Karriere von Ulrich Tukur, von seinen frühen Jahren und seiner Ausbildung über seine bedeutenden Beiträge zur deutschen Film- und Theaterlandschaft bis hin zu seiner anhaltenden musikalischen Tätigkeit.

Die Biografie: Von der Jugend bis zur Etablierung

Ulrich Gerhard Scheurlen, so sein bürgerlicher Name, erblickte in Viernheim in Hessen das Licht der Welt. Sein Vater, Jerg Michael Scheurlen (1926–2017), war ein diplomierter Ingenieur, der für verschiedene Stromerzeuger arbeitete, während seine Mutter, Ortrud Scheurlen, geborene Hermann (1929–2020), aus Ravensburg stammte und als Landwirtschaftslehrerin tätig war. Tukur selbst beschrieb seine Eltern als „sehr spießig, bürgerlich, schwäbisch“. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er mit seiner Schwester Sabine und seinem Bruder Michael in verschiedenen Teilen Deutschlands: Westfalen, Hessen und Niedersachsen, wobei seine Jugend in der Wedemark bei Hannover prägend war.

Die Familie zog 1963 nach Großkrotzenburg, wo er ab 1967 das Franziskanergymnasium Kreuzburg besuchte. Der Künstlername „Tukur“, unter dem er später bekannt wurde, hat seinen Ursprung in einer Anekdote aus der Zeit der napoleonischen Besatzung des Rheinlands im frühen 19. Jahrhundert.

Seine schulische Ausbildung schloss Tukur 1977 mit dem Abitur in Großburgwedel bei Hannover ab. Ein bedeutendes Jahr seines Lebens verbrachte er als Austauschschüler in Boston, Massachusetts, im Rahmen eines Programms des American Field Service (AFS). Dort erwarb er einen High-School-Abschluss und lernte seine spätere erste Ehefrau, Amber Wood, kennen. Nach seinem Wehrdienst begann Tukur ein Studium der Germanistik, Anglistik und Geschichte an der Universität Tübingen. Während dieser Zeit verdiente er sich seinen Lebensunterhalt als Musiker, unter anderem als Straßenmusiker in Tübingen.

Seine Leidenschaft für die darstellenden Künste führte ihn schließlich dazu, ab 1980 eine Schauspielausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart zu absolvieren. Frühere musikalische Erfahrungen als Straßenmusiker in Tübingen deuten bereits auf seine spätere musikalische Karriere hin.

Seine ersten Schritte im professionellen Schauspielbereich machte Tukur, als er während eines seiner musikalischen Auftritte entdeckt wurde. Noch während seines Studiums erhielt er seine erste Filmrolle in „Die Weiße Rose“ (1982). Nach Abschluss seiner Schauspielausbildung 1983 trat er sein erstes Engagement an den Städtischen Bühnen Heidelberg an. Der Durchbruch im Theater gelang ihm 1984 durch die Zusammenarbeit mit dem renommierten Regisseur Peter Zadek, der ihm eine Rolle in Joshua Sobols Stück „Ghetto“ an der Freien Volksbühne Berlin gab.

Von 1985 bis 1995 war er festes Ensemblemitglied am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, wo er in zahlreichen bedeutenden Inszenierungen unter der Leitung von Peter Zadek mitwirkte. Seine herausragenden Leistungen in dieser Zeit wurden 1986 mit der Auszeichnung „Schauspieler des Jahres“ des Magazins „Theater heute“ gewürdigt.

Neben seiner erfolgreichen Tätigkeit als Schauspieler übernahm Tukur von 1995 bis 2003 gemeinsam mit Ulrich Waller die Intendanz der Hamburger Kammerspiele. Seit 1989 ist er zudem als Musiker aktiv, gibt Konzerte und veröffentlicht Alben. Ulrich Tukur war zweimal verheiratet. Aus seiner ersten Ehe mit Amber Wood stammen seine beiden Töchter Marlene und Lilian. Seit Oktober 2003 ist er mit der Fotografin Katharina John verheiratet.

Von 2003 bis 2019 lebte er mit seiner Frau in Venedig auf der Insel Giudecca sowie in Montepiano in der Toskana, bevor er 2019 nach Berlin-Schöneberg zog. Neben seinen künstlerischen Tätigkeiten betreibt er in Montepiano auch einen Weinberg. Zudem ist Ulrich Tukur Mitglied der Freien Akademie der Künste Hamburg. Seine langjährige Wahlheimat Venedig deutet auf eine tiefe Verbundenheit zur italienischen Kultur hin, die möglicherweise seine musikalischen Vorlieben beeinflusst.

Die Schauspielkarriere: Vielfalt auf der Leinwand und im Fernsehen

Seine erste Filmerfahrung sammelte Ulrich Tukur noch während seines Studiums in „Die Weiße Rose“. Bekannt wurde er einem breiten Publikum durch seine Rollen in Filmen renommierter Regisseure wie Michael Haneke in „Das weiße Band“ (als Baron), Steven Soderbergh in „Solaris“ und Florian Henckel von Donnersmarck in dem Oscar-prämierten Film „Das Leben der Anderen“, in dem er den Oberstleutnant Anton Grubitz verkörperte. Er spielte zudem Wilhelm Uhde in der Filmbiografie „Séraphine“ und war in der Verfilmung der Eiger-Nordwand-Tragödie „North Face“ als Henry Arau zu sehen.

Im Dokumentarfilm „Bonhoeffer: Agent of Grace“ (1999) übernahm er die Titelrolle des Dietrich Bonhoeffer und in der chinesisch-deutschen Koproduktion „John Rabe“ verkörperte er John Rabe, der während des Massakers von Nanking Tausende von Menschen rettete. Seine Zusammenarbeit mit international renommierten Regisseuren und seine Beteiligung an vielfach ausgezeichneten Filmen unterstreichen seine Vielseitigkeit und sein Talent.

Im Fernsehen ist Ulrich Tukur ebenfalls eine prägende Figur. Er spielte den psychopathischen Kurt Hauff in „Kommissar Rex“ und übernahm 2010 die Rolle des Ermittlers Felix Murot in der „Tatort“-Reihe des Hessischen Rundfunks, die ihn zu einem bekannten Gesicht im deutschen Fernsehen machte. In Fernsehfilmen wie „Die Nacht der großen Flut“ (als Helmut Schmidt) und „Die Luftbrücke“ (als General Lucius D. Clay) bewies er erneut seine Wandlungsfähigkeit. Zu seinen neueren Fernsehauftritten zählen die Miniserie „Gestern waren wir noch Kinder“ und die Miniserie „Faking Hitler“. Seine langjährige Rolle als Felix Murot im „Tatort“ hat ihn zu einer festen Größe im deutschen Fernsehkrimi gemacht und seine Fähigkeit, komplexe und unkonventionelle Charaktere darzustellen, unterstrichen.

Die musikalische Seite: Ulrich Tukur & Die Rhythmus Boys

Im Jahr 1995 gründete Ulrich Tukur die Tanzkapelle „Die Rhythmus Boys“. Die Band widmet sich mit großer Leidenschaft der Interpretation von Evergreens aus der Zeit von den 1920er bis zu den späten 1940er Jahren, ergänzt durch eigene Kompositionen. Tukur selbst hegt eine tiefe Zuneigung zur Eleganz, Leichtigkeit, Virtuo

sität und dem Witz der Texte und der Musik dieser Ära. Die Auftritte der Band zeichnen sich durch Entertainment und gesangliche Darbietungen aus. Die festen Mitglieder der Band sind neben Ulrich Tukur am Klavier, Akkordeon und Gesang, Ulrich Mayer an der Gitarre und Ukulele sowie am Gesang, Günter Märtens am Kontrabass und ebenfalls am Gesang, und Kalle Mews am Schlagzeug, für Geräusche und Gesang zuständig. Humorvoll bezeichnen sie sich selbst als „Die älteste Boygroup der Welt“. Tukurs musikalisches Engagement wurzelt tief in seiner Wertschätzung für die Kultur und Unterhaltung der Zwischenkriegszeit.

Die Rhythmus Boys

Ulrich Tukur im O-Ton: Einblicke durch Interviews

Ulrich Tukur beschreibt seine Leidenschaft für die Musik seiner Band wie folgt: „Ich liebe die Eleganz, die Leichtigkeit, die Gekonntheit der Musik und den Witz der Texte von Liedern aus dieser Zeit“. In einem Interview bezeichnete er sich als einen „vertikalen Menschen“, dessen Identität tief in der Vergangenheit verwurzelt ist. Er betont seine tiefe Verbundenheit zur Musik: „Ich bin mit Leib und Seele Musiker. Die Musik ist die Königin der Künste, finde ich, sie ist international“.

Seine Vorliebe gilt dabei den Live-Auftritten: „am liebsten spiele ich ja Klavier und am zweitliebsten das Akkordeon. Am drittliebsten stehe ich auf der Bühne… ganz hinten kommt für Film und Fernsehen“. Über seine „Tatort“-Figur Felix Murot sagt er, er habe eine Figur kreieren wollen, „die viel von mir hat, die am Rande der Dinge steht und sich nicht so richtig in ihrer Zeit verortet“. Tukur sieht Nostalgie nicht als Sehnsucht nach der Vergangenheit, sondern als „die Sehnsucht nach Heimkehr“. Er bekennt, eher ängstlich zu sein und es gerne allen recht machen zu wollen. Für ihn sind „Gedichte und Musik… das, was unser kleines, todgeweihtes Leben schöner macht, als es ist“.

Die Musik mit den Rhythmus Boys beschreibt er als Zelebrierung von „Leichtigkeit bis hin zur Überflüssigkeit und Melancholie mit Schmiss und Pep“. In Bezug auf seine Schauspielrollen betont er: „Man braucht eine zweite Dimension im Charakter, sonst ist er uninteressant“, und dass man die Figuren, die man spielt, nicht lieben, aber verteidigen müsse. Das „große Geheimnis“ des Lebens sieht er im Lieben. Er beschreibt sich als spirituell und glaubt an tieferliegende Zusammenhänge, die der Verstand nicht immer erfassen kann.

Das Echo der Kritik: Reaktionen auf seine schauspielerischen und musikalischen Leistungen

Ulrich Tukurs Darstellung in „Das Leben der Anderen“ wurde von Kritikern als grandios und herausragend gelobt, obwohl es auch kritische Stimmen hinsichtlich der historischen Genauigkeit gab. Seine Rolle in „John Rabe“ fand ebenfalls Anerkennung als genial, wobei einige Kritiker die Darstellung und den Pathos des Films ambivalent bewerteten. „Das weiße Band“ wurde als beeindruckendes moralisches Gemälde und Meisterwerk gefeiert. Die „Tatort“-Episoden mit Felix Murot erhielten sowohl Lob für ihre außergewöhnliche und verrückte Art als auch Kritik für historische Ungenauigkeiten. Seine frühe Rolle in Peter Zadeks Inszenierung von „Ghetto“ wird als die eines fiesen SS-Offiziers beschrieben, die in die Theatergeschichte einging.

Die musikalischen Auftritte von Ulrich Tukur & Die Rhythmus Boys werden in der Regel als sehr unterhaltsam, witzig und musikalisch erstklassig beschrieben, wobei ihre Vorliebe für nostalgische Unterhaltungsmusik der 1920er bis 1940er Jahre hervorgehoben wird. Ihre Konzerte sind oft eine Mischung aus Swing, Jazz, Schlager, Slapstick und Parodie. Kritiker loben ihre originellen Arrangements und die Fähigkeit, Klassiker auf frische Weise zu interpretieren. Ihre Musik wird als zeitlos und mitreißend empfunden, besonders in ihrer kundigen und liebevollen Darbietung.