Tony Allen

Tony Allen - Afrobeat - nigerianischer Schlagzeuger, Komponist und Songwriter

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Tony Allen, geboren am 12. August 1940 als Tony Oladipo Allen in Lagos; gestorben am 30. April 2020 in Paris, war ein einflussreicher nigerianischer Schlagzeuger, Komponist und Songwriter. Als langjähriger Schlagzeuger und musikalischer Leiter von Fela Kutis Band Africa ’70 (1968-1979) war er maßgeblich an der Entwicklung des Afrobeat beteiligt. Fela Kuti selbst unterstrich die Bedeutung Allens mit den Worten: „Ohne Tony Allen gäbe es keinen Afrobeat“. Diese Aussage, ausgerechnet von der Ikone des Genres, unterstreicht Allens zentrale Rolle in der Musikgeschichte.

Frühe Jahre und musikalische Einflüsse

Mit 18 Jahren begann er als Autodidakt Schlagzeug zu spielen, während er als Techniker bei einem nigerianischen Radiosender arbeitete. Geprägt wurde sein Stil von der traditionellen Musik der Yoruba – einer Vorliebe seines Vaters – sowie vom amerikanischen Jazz und der florierenden Highlife-Szene Westafrikas. Besonders beeinflusst wurde er von Max Roach, Art Blakey und dem ghanaischen Schlagzeuger Guy Warren (später Kofi Ghanaba), der afrikanische Perkussion mit Bebop verband. Seine professionelle Karriere begann Allen als Clavespieler in Victor Olaiyas Highlife-Band Cool Cats. Nach dem Weggang des Schlagzeugers übernahm er dessen Position. Später spielte er bei Agu Norris and the Heatwaves, den Nigerian Messengers und den Melody Makers.

Zusammenarbeit mit Fela Kuti und Africa ’70

1964 wurde Allen von Fela Kuti für die Highlife-Jazz-Band Koola Lobitos engagiert. Beide hatten zuvor zusammen in der Zirkusband von Lagos gespielt. Kutis Bewunderung für Allens einzigartige Mischung aus Jazz- und Highlife-Rhythmen führte zu einer engen musikalischen Partnerschaft. Kuti soll Allen bei ihrem ersten Treffen gefragt haben: „Warum bist du der Einzige in Nigeria, der Jazz und Highlife zusammenbringt?“

1969 führte eine USA-Reise zu einer musikalischen Neuorientierung: Kutis Band entdeckte den Funk von James Brown und die Energie des Hard Bop. Das Kollektiv benannte sich in Africa ’70 um und entwickelte den Sound, der als Afrobeat Geschichte schreiben sollte – eine explosive Mischung aus Highlife, Jazz, Yoruba-Traditionen und amerikanischem Soul. Allen selbst betonte immer wieder, dass Afrobeat nicht nur von Nigeria inspiriert sei, sondern von den vielfältigen Musikkulturen des gesamten afrikanischen Kontinents. Innerhalb von Africa ’70 war Allen der einzige Musiker, der direkten Einfluss auf Kutis Kompositionen hatte. Er trug zur Rhythmik bei und schuf die für den Afrobeat charakteristischen Schlagzeugfiguren. Gemeinsam nahmen sie mehr als 30 Alben auf.

Zunehmende Differenzen, vor allem über Tantiemen, führten 1979 zur Trennung. Kuti unterstützte zwar Allens Soloalben Jealousy (1975), Progress (1977) und No Accommodation for Lagos (1979), doch schließlich verließ Allen mit anderen Musikern Africa ’70. Neben finanziellen Streitigkeiten spielte auch politischer Druck eine Rolle: 1974 wurden Allen und Kuti nach Razzien der Regierung kurzzeitig inhaftiert.

Die Solo-Karriere: Keine Grenzen, keine Kompromisse

Nach der Trennung von Kuti gründete Allen seine eigene Band und veröffentlichte 1980 das Album No Discrimination. Bis 1984 trat er in Lagos auf, bevor er nach Europa zog: zunächst nach London, dann nach Paris, wo er mit Musikgrößen wie King Sunny Adé, Manu Dibango und Ray Lema zusammenarbeitete. Dort etablierte er sich als gefragter Studiomusiker und entwickelte den Afrobeat weiter, indem er ihn mit Dub, Hip-Hop und Electronica kombinierte – ein Stil, den er als Afrofunk bezeichnete.

In den 2000er Jahren begann Allen eine Reihe von Kollaborationen mit Künstlern wie Damon Albarn („Er ist ein Genie!“), Paul Simonon, Air, Charlotte Gainsbourg, Jimi Tenor und Flea (Red Hot Chili Peppers). 2006 spielte er mit Albarn, Simonon und Simon Tong auf dem Debütalbum von The Good, the Bad & the Queen. 2012 folgte das Album Rocket Juice & The Moon mit Albarn, Flea und weiteren Gastmusikern.

Seine Autobiographie „Tony Allen: Master Drummer of Afrobeat“, die 2013 erschien, gibt tiefe Einblicke in sein musikalisches Schaffen. Trotz seines hohen Alters bleibt Allen kreativ und produktiv: Alben wie „Film Of Life“ (2014) und „The Source“ (2017) zeigen, dass sein musikalischer Innovationsgeist ungebrochen ist. 2018 veröffentlichte er mit dem Detroiter Techno-Pionier Jeff Mills die EP Tomorrow Comes the Harvest. Der Radiosender ByteFM lobte die Single The Seed als „hypnotische Fusion aus Allens komplexem, gefühlvollem Groove und Mills elektronischen Jazz-Elementen“.

Seit 2016 ist Allen Mitglied des Moritz von Oswald Trios, wo er Vladislav Delay ersetzt. Im selben Jahr erschien das Album Sounding Lines. Im März 2020 erschien Rejoice, ein Album mit dem südafrikanischen Trompeter Hugh Masekela, das bereits 2010 aufgenommen und 2019 fertiggestellt wurde. Es schaffte es auf die Bestenliste des Preises der deutschen Schallplattenkritik.

Ein Vermächtnis für die Ewigkeit

Tony Allen starb am 30. April 2020 im Alter von 79 Jahren in Paris an einem Aneurysma der Bauchaorta. Doch sein Einfluss lebt weiter: 2021 erscheinen posthum das Soloalbum „There Is No End“ und die Kollaboration „The Solution Is Restless“ mit Joan As Police Woman und Dave Okumu.

Brian Eno, selbst ein Bewunderer Allens, nannte ihn den „vielleicht größten Schlagzeuger aller Zeiten“. Allens Groove war mehr als nur Rhythmus – er war das pulsierende Herz des Afrobeat. Sein Erbe hallt in unzähligen Genres und Künstlergenerationen wider.