Gigliola Cinquetti

Gigliola Cinquetti, italienische Schlagersängerin
© Von Ron Kroon für Anefo - Nationaal Archief, CC BY-SA 3.0 nl

Inhaltsverzeichnis

Gigliola Cinquetti – von der ESC-Siegerin zur Musiklegende

Mit kaum 16 Jahren katapultierte sich Gigliola Cinquetti ins Zentrum des europäischen Musikgeschehens: 1964 gewann sie mit Non ho l’età sowohl das Sanremo Music Festival als auch kurz darauf den Eurovision Song Contest für Italien. Was als jugendlicher Überraschungserfolg begann, entwickelte sich über Jahrzehnte zu einer Karriere mit internationalen Hits, stilistischer Entwicklung und später auch Tätigkeiten als Fernsehmoderatorin. Auch nach dem Zenit ihrer Chartzeiten blieb sie ein Symbol für die Canzone italiana – ein künstlerisches Erbe, das bis heute nachwirkt.

Musikalische Herkunft und frühe Impulse

Am 20. Dezember 1947 erblickte Gigliola Cinquetti in Verona, Italien das Licht der Welt. Sie entstammt einer Familie mit stabilem Hintergrund. Sie wuchs mit künstlerischer Begabung auf und besuchte das kunstorientierte Gymnasium in Verona. Bereits in ihrer Jugend zeigte sich ihre Neigung zur Musik: Sitzungen am Klavier und frühe Erfahrungen auf lokalen Nachwuchswettbewerben legten den Grundstein. 1963 nahm sie mit gerade einmal 15 Jahren am Nachwuchsfestival in Castrocaro teil. Überraschenderweise gewann sie das Vorsingen und öffnete sich damit die Tür zur großen Bühne.

Dieser frühe Sieg verweist auf einen Weg, der weniger durch etablierte Industriekreise als durch Talent und unmittelbare Wirkung geprägt war – ein Schicksal, das für junge Stimmen damals eher selten war.

Der Durchbruch – Sanremo, Eurovision und erste Erfolge

Der absolute Einschnitt kam 1964: Beim Sanremo-Festival trat sie mit dem Lied Non ho l’età (per amarti) an – und das Publikum sowie die Jury waren hingerissen. Gemeinsam mit einer Kollegin gewann sie diesen bedeutenden Wettbewerb. Doch nur wenige Wochen später sollte der noch größere Triumph folgen.

Im März 1964 vertrat sie Italien beim Eurovision Song Contest in Kopenhagen. Mit 16 Jahren und 92 Tagen war sie die bis dahin jüngste Gewinnerin des Wettbewerbs – eine historische Premiere. Non ho l’età stieß weit über Italien hinaus auf Resonanz: In Großbritannien hielt sich die Single 17 Wochen in den Charts, obwohl italienischer Schlager dort kaum salonfähig war – ein unerwarteter Erfolg.

Dieser internationale Durchbruch ließ nicht nur eine neue Stimme erklingen, sondern markierte auch den Beginn einer Karriere, die das Bild der Popmusik Italiens mitprägen sollte.

Künstlerische Entwicklung, Hits und stilistische Vielseitigkeit

Nach dem fulminanten Start blieb Cinquetti kein One-Hit-Wonder: Bereits 1966 gelang ihr mit „Dio, come ti amo” ein weiterer großer Erfolg – ein Song, der nicht nur musikalisch, sondern auch emotional Tiefe zeigte und ihre Wandlungsfähigkeit unter Beweis stellte.

1973 veröffentlichte sie „Alle porte del sole”, das später durch eine Neuinterpretation als „To the Door of the Sun” internationale Aufmerksamkeit erhielt – eine Version, die es bis auf Platz 17 der US-Billboard-Charts schaffte.

Ihr Versuch, sich stilistisch weiterzuentwickeln, zeigte sich auch Ende der 1970er Jahre mit dem Album „Pensieri di donna”, das sie als gereifte, reflektierte Künstlerin präsentierte. Der kommerzielle Erfolg blieb aus, doch künstlerisch markiert es einen bewussten Schritt weg vom jugendlichen Schlager hin zu einer reiferen Interpretation ihrer Stimme und ihres Ausdrucks.

Genre, Stil und musikalische Identität

Gigliola Cinquetti verortet sich primär im Bereich des Italo-Pop/Canzone italiana, doch ihre Musik ließ immer wieder genreübergreifende Akzente zu. Die frühen Songs, geprägt von Unschuld, Jugend und emotionalem Aufbruch, erzählten von einfachen Gefühlen. Spätere Werke strahlen Reife, Reflexion und eine gewisse Melancholie aus.

Die Kombination aus klarem, sanftem Timbre und emotionaler Direktheit verlieh ihren Interpretationen eine Authentizität, die dem Schlager oft abging. In einer Zeit, in der internationale Moden auch in Italien längst Fuß gefasst hatten, blieb Cinquetti ihrer musikalischen Identität treu und doch offen für Wandel.

Bühne, Kollaborationen und mediale Präsenz

Neben Studioaufnahmen prägte die Live-Performance ihr Profil. In den 1960er- und 1970er-Jahren tourte sie durch ganz Europa, trat in zahlreichen Fernsehsendungen auf und war auch auf Festivals wie Canzonissima vertreten. Insgesamt nahm sie zwölfmal am Sanremo-Festival teil und gewann es zweimal.

Interessant: Mit ihrem Song Sì belegte sie 1974 den 2. Platz beim Eurovision Song Contest in Brighton – hinter dem später legendären Sieg von ABBA. Die Live-Ausstrahlung in Italien war allerdings zu Beginn zensiert. Manche befürchteten, der häufig wiederholte Titel „Sì” könnte die Stimmung im anstehenden Scheidungsreferendum beeinflussen – eine politisch aufgeladene Entscheidung. (Wikipedia)

Später wandte sie sich anderen Tätigkeiten zu: In den 1990er Jahren arbeitete sie als Moderatorin und Journalistin beim öffentlich-rechtlichen Sender RAI. 1991 moderierte sie sogar den Eurovision Song Contest in Rom — eine bemerkenswerte Rückkehr hinter die Bühne.

Kollaborationen und das künstlerische Netzwerk

Ihr musikalisches Netzwerk war breit: Bereits 1966 arbeitete sie mit dem bekannten Songwriter Domenico Modugno zusammen – Dio, come ti amo stammt aus dieser Verbindung.

Später war sie offen für internationale Kooperationen. So entstand beispielsweise eine Aufnahme mit dem Trio Los Panchos – ein Mix aus italienischer Stimme und lateinamerikanischem Bolero-Erbe, der ihre stilistische Offenheit und Vielseitigkeit unterstreicht.

Diese Kollaborationen zeigen eine Sängerin, die in der heimischen Tradition wurzelt, aber den Blick Richtung Welt nicht scheut.

Songs von Gigliola Cinquetti

  • 1964 Non ho l’età (per amarti)
  • 1964 Il primo bacio che darò
  • 1964 Oh, warum
  • 1965 Ho bisogno di vederti
  • 1966 Dio, come ti amo
  • 1967 La rosa nera
  • 1969 La pioggia
  • 1969 Il treno dell’amore
  • 1970 Romantico Blues
  • 1971 La domenica andando alla messa
  • 1971 Rose nel buio
  • 1971 Qui comando io
  • 1972 Gira l’amore
  • 1973 La spagnola
  • 1974 Alle porte del sole
  • 1974 Go (Before You Break My Heart)
  • 1974 Sì
  • 1974 Ja
  • 1985 Chiamalo amore